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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hausen
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Kaufleuten oder die Liederlichkeit des Adels angeprangert wird, hat man die Zensur auf dem Hals“, schimpfte Struensee. „Ich hätte nicht übel Lust, in sarkastischer Weise darüber herzufallen.“
    Er öffnete eine weitere Flasche Wein und schenkte seinen Gästen nach. „Die Schüler des Pythagoras glaubten an eine Seelenwanderung. Die Seelen der Menschen und Tiere, sagten sie, gehen nach dem Tode in einen anderen Zustand über, der sich danach richtet, wie sie zuvor gelebt haben. Darüber ließen sich einige Betrachtungen anstellen. So fahre ich niemals in einem Postwagen, ohne die armen Tiere voller Mitleid anzusehen, die zu meiner Bequemlichkeit gespornt, gepeitscht, gemartert werden. Aber wenn ich bedenke, dass sie früher Stockmeister in einem Zuchthaus oder vom Verfolgungsgeist erfüllte Mönche waren, die Juden und Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt haben, so fahre ich viel vergnügter mit der Kutsche weiter und bin erfreut, durch Zurücklegen meiner Reise im Dienst der ausgleichenden Gerechtigkeit zu stehen.“
    Die Gäste lachten schallend. Struensee fuhr fort: „Die berühmten Eroberer, deren Schwerter so viel Menschenblut vergossen haben, werden genötigt werden, die Erde wieder zu bevölkern, indem ihre Seelen in die Körper von Frauen versetzt werden. Sie werden erleben, wie es ist, neun Monate schwanger zu sein und mit Schmerzen Kinder zu gebären. Ich bin sicher, dass Alexander und Julius Cäsar nun Geburtsschmerzen erleiden, dass Karl der Zwölfte die Frau eines Dorfpriesters ist, eine zahlreiche Familie hat und sie noch jährlich vermehrt; und dass Kublai-Khan jetzt in Gestalt eines großen Bettelweibes, welches zwei Kinder neben und drei hinter sich her laufen hat, von einem Kirchspiel zum anderen gepeitscht wird.“
    Die Gesichter der versammelten Freunde wurden ernst und Falckenskiold meinte: „Ja, das wäre eine Möglichkeit ausgleichender Gerechtigkeit. Aber glaubst Du wirklich daran? Es scheint mir, dass man hier einem neuen Aberglauben zu verfallen droht.“
    „Es ist auch nur ein Spiel der Vernunft, eine nützliche Hypothese. Wahrscheinlich ist Fortschritt nur langsam über viele Generationen erreichbar“, sagte Struensee nachdenklich.
    Als das „Gemeinnützige Magazin“ plötzlich eingestellt wurde, gründete Struensee mit den Ersparnissen seines Jugendfreundes Panning ein eigenes Blatt. Neben rein medizinischen und naturwissenschaftlichen Aufsätzen enthielt die erste Ausgabe auch eine Novelle von Panning und zwei Gedichte. Der Leitartikel lautete: „Gedanken eines Arztes von der Entvölkerung des Landes“, der einen Querschnitt durch die Misere Dänemarks bot.
    Hier hatte Struensee bereits die Grundgedanken für seine späteren Reformen niedergeschrieben und seiner Gesellschaftskritik Ausdruck verliehen. Er forderte eine Art Sozialmedizin, die dem Zusammenhang zwischen dem Elend der Bevölkerung und den gesundheitlichen Problemen Rechnung trug. Ohne Volksaufklärung über Hygiene und Seuchenprophylaxe konnten keine medizinischen Reformen in Gang gesetzt werden. Und ohne die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation konnte man keine Verbesserungen im Gesundheitswesen herbeiführen.
    Das Land blutete aus, die Geburtenzahlen sanken unablässig. Es war eine sozialpolitische Notwendigkeit, der Landbevölkerung zu helfen. Der Wohlstand des Landes hing davon ab, ob sich die Bauern auf ihrer Scholle wohlfühlten, etwas arbeiten und leisten wollten oder ob sie auf die erste Gelegenheit zur Flucht in die Städte warteten. Denn die Bauern waren der Gnade oder Ungnade ihrer Gutsherren ausgeliefert und suchten nach Wegen, dieser Knute zu entkommen. Sie strömten in die Städte, in denen es weder Brot noch Arbeit gab, verschwanden im Grau der Armenviertel.
    Struensees Gedanken waren hochpolitisch und bedurften der Macht, um praktisch umgesetzt zu werden. Noch hatte Struensee diese Macht nicht, noch blieben seine klugen Erkenntnisse nichts als raschelndes Papier. Doch als Minister ging er gegen die verkrusteten Feudalstrukturen auf dem Lande an, er milderte den Zehnten, setzte die Fronarbeit herab und entzog die Bauern der gutsherrlichen Gerichtsbarkeit. Das waren nur erste Schritte. Er hatte eine allgemeine große Bauernbefreiung im Sinn gehabt.
    Als nächstes hatte er eine verhängnisvolle Satire verfasst, die „Lobrede auf die Hunde und das Album Craecum“. Das Album Craecum, weißlicher Hundekot, galt als spöttische Umschreibung eines Verdauungspulvers, das von Dr. Unzer in

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