Der Fall von Katara
außer sie hatten entweder eine doppelte Staatsbürgerschaft oder einen Passagierschein, der von einem Mitglied des Hohen Rates ausgestellt und beglaubigt werden musste. Frau Alonis hatte bekanntermaßen beides nicht. Aber die yakkischen Sicherheitskräfte gewährten ihr auch ohne Vollmacht Freizügigkeit, weil man von der Zentrale noch keinen klaren Befehl bekommen hatte, die katarischen Agenten aufzuhalten.
Kapitel 4: In der Himmelswand
Die erhabene Himmelswand sah von außen zwar unangetastet aus, war innen jedoch durchlöchert wie ein alter Käse aus Hedonien. Das vernetzte Riesenzwerghöhlensystem, das sich auch Gnomopolis nannte, war ein Labyrinth aus Durchgängen, Röhren, Aufzugsschächten, mehrspurigen Autobahnen und Spiralstraßen, die sich fast alle miteinander verbanden. Nichtsdestotrotz konnte man manchmal auch in einer Sackgasse mit Wohnraumsiedlungen, Geschäftsräumen oder Spionageartikel-Spezialitätenläden enden. Das gesamte Riesenzwerghöhlensystem war nicht nur ein langes Schürfloch, das die Ur-Zivilisationen damals gegraben hatten. Nein. Sie hatten eine ganze Großstadt dem Berg abgerungen. Die Riesenzwerge hatten lediglich den Anfang gemacht und damals die Erstbohrungen durchgeführt, aber bis die Stadt Gnomopolis fertiggestellt war, brauchte es noch viele weitere Zivilisationen, die erst in Tausenden von Jahren das Werk vollenden konnten. Es war eine lang angelegte Baustelle mit allem was dazu gehörte: Schutt, Baulärm und kilometerlange Wandschlitze für die Unterputzverkabelung.
Die gesamte Infrastruktur war mit Polysensoren, die jeden lebenserhaltenden Prozess der Stadt steuerten, versehen. Triebwerksabgase und verbrauchte Atemluft wurden angesaugt, in elementare Bausteine zerlegt und im Zentralgasspeicher zwischengelagert, um sie irgendwann einmal für weitere chemische Prozesse zu verwenden. Alles war haarklein durchdacht und schon vor Zigtausend Jahren derartig nachhaltig konstruiert worden, dass sich das System mit einem minimalen Aufwand selbst warten konnte, damit nachkommende Zivilisationen, die weniger Geld in der Tasche hatten, schlichte Nutznießer dieser gewaltigen Berganlage sein durften. Und für den Fall, dass die Zivilisationen ausstarben - was nicht selten passierte -, lief das autonome Höhlensystem für hunderttausend Jahre und kommende Generationen fehlerfrei weiter, ohne jeglichen Verlust von Kapazitäten einbüßen zu müssen. Das Supra-Kontrollsystem konnte Gnomopolis selbstständig hermetisch abriegeln, damit jede schädliche Strahlung draußen blieb. Elektromagnetische Strahlung, die von außen ankam, konnte das kompakte Granitgestein zwar nicht durchdringen, aber es gab andere winzig kleine kosmische Teilchen, die durch alles hindurchdrangen, dem Menschen aber keinen Schaden zufügen konnten. Es waren die Neutrinos.
In Gnomopolis wurden damals zusätzlich Millionen Kilometer an Silber-, Gold- und Glasfaserkabeln vom Volk der Koprophagen verlegt, um die gesamte Elektroinstallation nochmal nachträglich zu optimieren. Das Herzstück der Anlage war ein riesengroßer Neutrino-Generator, der die Fähigkeit besaß, das Dauerbombardement von Neutrino-Teilchen sinnvoll in Starkstrom zu verwandeln. Er lieferte ein Gigawatt Strom pro Tag. Eine Relaisstation leitete den Strom in das entsprechende Netz oder ins Wasserstoff-Elektrolyse-Zentrum weiter, und nur ein einziges stromführendes Kabel, das an die Maschine angeschlossen war, hatte einen Durchmesser von dreißig Zentimeter. Das Metall, aus dem der Neutrino-Generator vorwiegend bestand, war reinstes Iridium, das aus allen Teilen der Milchstraße zusammengetragen worden war. In Anbetracht dessen, dass das Metall so selten und teuer war, hatte das Volk der Kolostraten ursprünglich damit begonnen, diesen Neutrino-Generator zu bauen, bis erst das Volk der Oirophiliter dieses gewagte Vorhaben zu Ende bringen konnte, weil deren Bürger damals über zweitausend Jahre zum Sparen verpflichtet worden waren.
Außerdem gab es noch einen alten Ersatzgenerator, der bei Weitem nicht so teuer war und prinzipiell auch ganz gut funktionierte. Er nutzte sowohl die kinetische Energie der Wasserrohrleitungen, die sich selbstständig mit Regenwasser füllten, als auch die Windenergie der Höhlenströmungen, die von unterirdischen Kanälen in die Himmelswand geleitet wurden. Wenn einmal Wind oder Wasser ausblieben, konnte der Ersatzgenerator sogar die radioaktive Strahlung des Granitgesteins in Schwachstrom verwandeln,
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