Der Fall von Thormain
Schicht überzogen. Herausragende Pflanzenfasern wogten wie im Wind leicht hin und her.
Plötzlich sah Mythor unter sich in der Wand einen dunklen Fleck, der einigermaßen rund war und eine Armspanne groß. Er richtete das Licht des Steines darauf und erkannte, dass es sich um eine Öffnung handelte, offenbar um einen Stollen, der seitlich aus dem Brunnenschacht führte.
Die Glocke war nun schon fast auf Höhe dieses Stollens. Mythor überlegte nicht lange. Kurz entschlossen glitt er vom Sitzbrett, tauchte kopfüber unter der Glocke hindurch und schwamm auf die Öffnung in der Wand zu.
Beinahe hätte er sich verschätzt und die Öffnung verfehlt, denn er bekam einen starken Auftrieb. Aber er schaffte es gerade noch, den Kopf unter den Mauerrand zu senken und durch zu tauchen.
Den Leuchtstein vor sich haltend, schwamm er mit kräftigen Stößen in den Stollen hinein. Dieser führte kurz geradeaus, machte dann einen leichten Knick und führte in flachem Winkel nach oben.
Irgendwann, so hoffte er, musste der Stollen aus dem Wasser führen. Aber Mythor schwamm und schwamm, ohne den Wasserspiegel zu erreichen. Der Stollen führte noch immer schräg nach oben, aber im Schein des Leuchtsteins war kein Ende abzusehen.
Mythor kam in Atemnot. In seinem Brustkorb tobte ein stechender Schmerz. Vor seinen Augen tanzten Kreise, und er konnte kaum mehr sehen. Seine Bewegungen wurden immer lahmer, er stieß gegen die seitliche Wand und schlug sich den Kopf an.
Der Schmerz klärte für einen Moment seine Sinne, gerade so lange, dass er das Ende des Stollens knapp vor sich sehen konnte. Es ging auf einmal nicht weiter!
Entsetzt dachte Mythor, dass er nun den Stollen wieder zurückschwimmen müsse, um in den Brunnen zu gelangen. Die Tauchglocke würde natürlich schon längst abgesackt sein, so dass er zusätzlich noch die gesamte Länge überwinden musste, um die Oberfläche des Brunnenwassers zu erreichen.
Das schaffte er nie! Ihm ging jetzt schon die Luft aus. Ein Schwindel erfasste ihn, und in seiner Todesangst schlug er um sich und stieß sich nach oben ab. Statt wie erwartet gegen ein Hindernis zu stoßen, trieb er nach oben weiter und drang auf einmal völlig unerwartet ins Freie.
Er konnte atmen. Luft - er sog sie gierig und geräuschvoll ein. Er war noch ganz benommen, für eine Weile wie berauscht. Dann legte sich der Schwindel, die Sehkraft seiner Augen kam zurück.
Mythor merkte erleichtert, dass er den Leuchtstein noch immer umklammert hielt. Er hob ihn aus dem Wasser und erkannte in seinem Schein, dass er sich in einem Gewölbe befand. Das Becken, in dem er trieb, war nicht groß; es hatte höchstens einen Durchmesser von sieben Schritten. Und abgesehen von dem Loch, durch das er eingedrungen war, war es so seicht, dass er bis zum Beckenrand waten konnte. Er tat es und ließ sich dann erschöpft zu Boden sinken.
Während er seine Kräfte sammelte, blickte er um sich. Das Gewölbe war nicht gemauert, sondern aus dem Stein herausgewaschen. Die Wände waren glatt und geschwungen. Im Hintergrund waren drei übermannsgroße Höhlen zu sehen, wie für Riesen geschaffen. Die Durchgänge unterschieden sich so stark von der Grotte, dass es für Mythor gar keinen Zweifel über ihre Herkunft gab - sie waren künstlich erschaffen worden.
Von wem? Von jenen Riesen, die die mächtigen Grundsteine für Thormain gelegt hatten?
Mythor erhob sich und betrat die mittlere Höhle. Der Stein leuchtete weit in sie hinein und zeigte ihm, dass sie etwa zwanzig Schritt geradeaus führte und dann nach rechts abzweigte. Die Wände bestanden aus fugenlosem Fels.
Hinter der Biegung mündete die Höhle in eine andere, noch größere, und diese endete bald in einem großen Gewölbe, das aus dem Fels herausgeschlagen worden war. Ein kurzer Rundblick zeigte ihm, dass er sich offenbar an einer uralten Kult- oder Opferstätte befand.
Der Boden war eben und glattgeschliffen. Daraus ragten einige Felsblöcke hervor, die eckig waren und scharfe Kanten hatten. Sie schienen mit dem Boden verschmolzen, und so lag die Vermutung nahe, dass sie mit dem Gewölbe eine Einheit bildeten.
An einer Wand war eine breite Treppe aus dem Fels gehauen, deren Stufen jede einen Schritt hoch war und nicht für normalgewachsene Menschen gebaut war, sondern für Riesen. Oder aber es war gar keine Treppe, sondern eine siebenstufige Terrasse.
Die Stufen verjüngten sich nach oben und endeten vor einem oben abgerundeten Portal, das drei Mannslängen breit und vier
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