Der Fall Zamar (German Edition)
aber ich liebe mein Land, auch wenn es so kaputt und geschunden ist. Es gibt in meiner Heimat zu wenige Ärzte. Viele sind nach 2003 geflüchtet, haben sich in sicheren Staaten ein neues Leben aufgebaut. Der Krieg, die radikal-islamischen Fundamentalisten und die Konfessionen sind alles Gründe für die Abwanderung. In ländlichen Regionen fährt man auch schon mal zwei Stunden bis zum nächsten Arzt.“ Madea machte eine minimale Pause. Eindringlich erzählte sie weiter: „Mein Onkel ist Chirurg in einem Krankenhaus in Bagdad. Er arbeitet oft 14 Stunden am Tag, weil es nur drei Spezialisten gibt. Dann kommt noch dazu, dass mein Onkel Rasim schon 59 Jahre ist. Hundertfünfzig Prozent jeden Tag ist für ihn jetzt langsam zu viel. Er hatte mich ermutigt, Medizin zu studieren. Für mich steht fest, dass ich damit meinem Land beim Aufbau einer neuen Struktur eine große Hilfe bin. Vor allem möchte ich wirklich den Leuten helfen, die es nötig haben. Frauen werden immer mehr von den radikalen Milizen unterdrückt, besonders alleinstehende. Sie trauen sich kaum auf die Straße, haben es zusehends schwerer, am sozialen Leben teilzunehmen. So gehen auch viele nicht mehr zum Arzt, wenn sie Probleme haben. Kinder werden mit großen Risiken zu Hause geboren, weil es in alten Traditionen verschiedener islamistischen Glaubensrichtungen so geschrieben steht. In vielen Familien wird wieder das Bild von der Unterwerfung der Frau gepriesen.“
Dan wusste nicht recht, was er dazu sagen sollte. Über die Feinheiten und Komplikationen im Leben der Iraker hat er sich noch nie großartig Gedanken gemacht. Madea erkannte seine Sprachlosigkeit und schloss gleich an: „Leider hat die Politik in den Punkten der Traditionen keine Macht, selbst Frauenrechtsorganisationen stehen dem machtlos gegenüber.“
„Das sind natürlich gute Gründe“, sagte Daniel. „Es ist einfach toll, wenn du so zu deinem Land stehst.“ Eine Pause entstand. „Bist du im ersten Semester?“
„Ja“, war ihre knappe Antwort. „Und, wie lange bist du schon hier?“
„Auch erst ein Semester, ich weiß aber noch nicht, für welche Richtung ich mich spezialisieren werde“, log er. „Was machst du eigentlich, wenn du mal nicht lernst?“
Madea ließ sich mit der Antwort etwas Zeit. „Ich gehe in ein Fitnessstudio oder ich bin zum Joggen im Park. Wenn das Wetter schön ist, gerade an den Wochenenden, fahre ich auch mal mit Laptop und Büchern in die Berge. Da gibt es lauschige Plätze, wo ich lernen und dabei die Natur genießen kann.“
„Das hört sich gut an. Womöglich könnten wir auch zusammen durch den Park laufen. Ich bin zwar eine lahme Ente, aber ich denke, dass ich das noch hin bekomme.“ Dan musste sich zurückhaltend zeigen, eigentlich war er ein Sportass und Bewegungstalent.
„Nun, sicherlich ist das machbar. Aber so etwas plane ich nicht großartig.“
„Aber du besuchst bestimmt auch mal Bekannte und Verwandte oder triffst dich mit Freunden“, erkundigte sich Dan. „Du lebst doch nicht nur von Büchern, Sport und Natur?“
Madea lächelte jetzt: „Bestimmt nicht, ich gehe auch einkaufen, putze die Wohnung, und manchmal schlafe und esse ich auch.“
„Ja, das solltest du nicht vergessen, ich meine das mit dem Essen und Schlafen.“
„Meine Verwandten leben im Irak, und deshalb werden wir uns wohl erst mal nicht sehen. Die Reise wäre zu weit. Hier in Amerika kenne ich niemanden. Eine gute Freundin ist mir Maggie geworden. Wir wohnen zusammen auf dem Campus. Sie hat mir am Anfang, als ich hier nach Atlanta kam, sehr geholfen. Sie ist ein Glücksfall für mich.“ Ihren netten Fitnesstrainer Mike verschwieg sie allerdings. Es ist sicher besser, nicht alles preiszugeben.
„Dann ist es doch umso besser, dass du mich kennengelernt hast“, meinte Dan. „Jetzt hast du einen Freund mehr hier. Und wenn du ein Problem hast, frage mich einfach.“
„Man kann aber eine Freundschaft nicht erzwingen“, gab Madea zu bedenken.
„Nun, wenn dir meine Nähe unangenehm ist“, sagte Dan erst etwas betrübt, „dann setzen wir uns nächstes Mal an einen ultra riesigen Tisch.“
Madea sah ihn etwas verwirrt an. Dann fügte Daniel lächelnd hinzu: „Du sitzt an der einen Seite der Tafel und ich an der anderen, und wir können trotzdem an einem Tisch Kaffee trinken.“ Dan blickte in ihre strahlenden Augen, als sie lachte.
„So, jetzt muss ich aber wieder los.“ Madea trank ihre Tasse leer.
„Schade, dass die Zeit schon um ist. Sehen
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