Der Fall Zamar (German Edition)
wir uns wieder? Vielleicht am Wochenende, wir könnten auch zusammen lernen oder ich zeige dir die schönen Ecken von Atlanta.“
„Bestimmt werden wir uns wiedersehen, aber am Wochenende habe ich schon etwas vor, ich will Samstagvormittag wegfahren.“ Mit diesen Worten stand Madea auf, ohne groß zu erklären, wohin sie fahren wird. „Also, bis bald.“
„Auf Wiedersehen! Ach, kann ich deine Telefonnummer bekommen?“, rief ihr Dan nach.
„Tut mir leid, ich habe kein Telefon.“ Mit wem sollte Madea hier in den USA auch telefonieren, wenn sie doch kaum jemanden kennt. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer dachte sie nochmal über das Gespräch nach. Eigentlich wollte sie nicht so viel über sich preisgeben, aber er war nett. Sie überlegte, dass sie von ihm nicht sehr viel erfahren hatte, nur seinen Namen und etwas über sein Studium. Irgendwie stellte nur er die Fragen. Ist aber auch egal, sie werden sich mal grüßen, wenn sie sich sehen, mehr auch nicht.
6.
In der großen Bibliothek der Emory-Universität waren zwischen den langen Bücherregalen immer wieder kleinere und größere Sitzgruppen mit Tischen angeordnet, Unmengen von Lampen brachten Licht auf die Arbeitsplätze. Vor einigen Regalen standen Trittleitern und ab und an auch vereinzelt ein Stuhl.
Da Madea sich noch nicht für eines von den drei Büchern entscheiden konnte, saß sie jetzt auf dem Stuhl in der fünften Reihe. Sie blätterte kurz durch die Nachschlagewerke, um für sich das geeignetste Buch herauszufinden. Nur haben diese Bücher nichts mit Medizin zu tun, sondern handeln vom Aufbau, der Mechanik, Elektronik und Reparatur von Kraftfahrzeugen. Sie will sich damit bestens auskennen, wenn sie an einem Auto die Bremsen so manipuliert, dass es bei dem Wagen zu einem Unfall kommt. Die Vorbereitungen für ihren Plan, den Tätern des Massakers an ihrer Familie ihre gerechte Strafe zukommen zu lassen, wird noch reichlich Zeit in Anspruch nehmen. In Gedanken hat sie sich schon eine Liste mit verschiedenen Ansatzpunkten gemacht. Madea will sich rächen, aber bei allen ehemaligen Marines soll es wie ein Unfall aussehen, deshalb muss sie sich aus Büchern noch einige handwerkliche Details herauslesen. Demnächst will sie zu allen Wohnorten der Männer fahren, um sich ein genaues Bild von der Lage zu machen. Wie kann sie nachts in die Garagen kommen, welchen Zeitplan haben die Familien, wer fährt mit welchem Auto, welche Strecken fahren sie. Einer von denen arbeitet auf einer Baustelle, da passieren des Öfteren kleine und große Arbeitsunfälle. Vor Ort kann sie sehen, welche anderen Möglichkeiten sich noch für Madea ergeben.
Für den Augenblick war Madea tief in ihren Gedanken versunken. Dabei glitt sie immer tiefer in die Vergangenheit ab. Sie kam an den Punkt, wo alles angefangen hat, an dem Tag wo ihre Großeltern, Eltern und Geschwistern ermordet wurden. Immer wieder hat sie das Bild vor den Augen, wo ihre abgeschlachtete Tante im Bett lag. Madea lehnte sich zurück, und ihr leerer Blick starrte geradeaus. Tränen liefen ihr über das Gesicht, sie sah nur noch verschwommen die Regalreihe vor sich.
„Oh, was ist denn hier passiert?“, fragte eine fremde Frauenstimme.
Mit diesen Worten wurde Madea wieder in die Realität geholt. Sie wischt sich schnell die Tränen von den Wangen. Es musste schon ein eigenartiges Bild sein, dachte sich Madea, wie sie da so saß mit den Büchern in der Hand und verheulten Augen. „Ach, es ist nichts, das geht wieder in Ordnung.“ Madea holte ein Taschentuch hervor.
„Ist das Buch so traurig? Das schaut aber sehr herzzerreißend aus. So durcheinander kann man aber nicht lesen.“ Die Frau, sie schien nicht älter als 30 zu sein, wollte wohl Madea nicht mit der Gefühlsduselei alleinlassen. Sie kam näher.
„Nein, nein, mit dem Buch ist alles gut.“ Madea wollte ihr nicht unbedingt zeigen, was sie sich herausgesucht hatte. „Ich habe nur gerade an jemanden gedacht.“
„Nicht doch etwa Liebeskummer?“ Die kurzhaarige Blondine rollte theatralisch mit den Augen. „Typisch Jungs.“
„Also mit Liebeskummer hat das Ganze nichts zu tun.“ Madea lächelte jetzt wieder.
„Ich bin Deborah.“ Sie streckte Madea die Hand entgegen.
Etwas verunsichert nahm Madea die Hand zur Begrüßung. „Mein Name ist Madea.“
Deborah setzte sich ganz ungeniert auf den Teppich ihr gegenüber. „Es ist schon eigenartig, was heute so alles passiert. Da bin ich den ersten Tag hier, und es geschehen so viele
Weitere Kostenlose Bücher