Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Fall

Titel: Der Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
Vom Netzwerk:
gewesen, nicht mehr nach Hause zu kommen, aber Raffertys jüngste Drohung hatte ihn seine Taktik noch einmal revidieren lassen. Er musste unbedingt noch einmal in die Wohnung. Um sicherzugehen, dass Sara keinen Verdacht schöpfte, kündigte er sich vorher telefonisch an. Er sagte, er käme gegen acht Uhr. In der Hoffnung, sie wäre bis dahin bereits eingeschlafen, kam er jedoch erst kurz nach Mitternacht nach Hause. So leise wie möglich schlich er zum Schlafzimmer und öffnete langsam die Tür.
    »Wo warst du so lange?«, fragte Sara, sobald er eintrat. »Du kommst vier Stunden zu spät.«
    Jared antwortete ihr nicht. Er stellte seine Aktentasche neben den Nachttisch und ging schnurstracks ins Bad. In den letzten zwei Wochen waren ihre Gespräche immer kürzer und nichtssagender geworden, sodass sie sich inzwischen praktisch nur noch anschwiegen. Berufliche Neuigkeiten waren ohnehin schon lange tabu, aber seit neuestem schlugen sich ihre Spannungen auch im Small Talk nieder.
    Als Jared wieder aus dem Bad kam, lag Sara im Bett und hatte ihrem Mann den Rücken zugekehrt. »Hast du in meine Aktentasche gesehen?«, fragte er sie unvermittelt.
    »Was?«, Sara drehte sich um.
    »Hast du in meine Aktentasche gesehen?«, wiederholte Jared und deutete auf den Boden. »Als ich ins Bad ging, stand sie aufrecht neben dem Nachttisch. Jetzt liegt sie flach auf dem Teppich.«
    Lachend erwiderte Sara: »Hast du vielleicht schon mal was von den Folgen der Schwerkraft gehört?«
    »Jetzt werd nur nicht sarkastisch!«, fuhr er sie an. »Ich meine es ernst!«
    Von seiner plötzlichen Feindseligkeit überrumpelt, fragte Sara: »Was hast du denn?«
    »Was ich haben soll? Ich habe dich ertappt –«
    »Du hast mich bei gar nichts ertappt«, konterte Sara. »Du bist bloß sauer, weil du langsam einsiehst, dass du den Prozess verlierst.«
    »Von wegen! Ich werde nicht verlieren!« In Jareds Augen lag ein Ausdruck, wie sie ihn noch nie an ihm bemerkt hatte. Von seiner gewohnten unerschütterlichen Zuversicht war nichts mehr zu spüren. An ihre Stelle war blanke Verzweiflung getreten.
    Um ihn zu beruhigen, sagte Sara: »Lassen wir es für heute Abend einfach gut sein und streiten morgen weiter.«
    »Ich meine es ernst, Sara. Ich werde nicht verlieren.«
    »Das glaubst du doch selbst nicht.«
    »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Ich werde nicht verlieren.«
    »Jared, was soll ich darauf antworten? ›Du hast vollkommen recht. Du wirst nie verlieren‹.«
    »Ich möchte nur, dass du mich ernst nimmst.«
    Sara antwortete ihm nicht.
    »Ignorier mich nicht einfach«, redete Jared weiter auf sie ein. »Nimmst du mich nun ernst oder nicht?«
    »Wenn du mich das fragen musst, spielt meine Antwort keine Rolle.«
    »Leider muss ich dich fragen. Antworte mir gefälligst.«
    Sara wandte sich von ihrem Mann ab und sagte: »Fick dich doch sonst wohin.«
    Als Jared in Pops Wohnung zurückkehrte, war es fast ein Uhr morgens. Immer noch außer sich, versuchte er sich auf die bevorstehende Entscheidung des Richters über seine Anträge zu konzentrieren. Wenn er auch nur der Hälfte stattgab, stünde es immer noch ganz gut für ihn, dachte er, als er die Wohnungstür aufschloss. Inzwischen hatte er sich so an die Gerüche von Pops Wohnung gewöhnt, dass er den feuchten Modergeruch, von dem ihm beim ersten Mal fast schlecht geworden war, gar nicht mehr registrierte. Nicht einmal die Fotos von Sara, die ihn jede Nacht quälten, nahm er zur Kenntnis. Aber dass der elektrische Ventilator, Baujahr 1946, aus irgendeinem Grund in Betrieb war, bemerkte er sofort, als er die Wohnung betrat.
    Eins von Pops besten alten Stücken war der taubenblaue General-Electric-Ventilator im Art-déco-Stil, der noch zu einer Zeit gebaut worden war, als man die Metallblätter noch nicht aus Sicherheitsgründen mit einem Schutzgitter versehen hatte. »Und das Ding läuft immer noch«, brüstete sich Pop, wenn die Rede darauf kam.
    Als Jared sah, dass der Ventilator auf dem Beistelltisch neben der Couch in Betrieb war, wurde ihm klar, dass irgendwas nicht stimmte. Als er die Wohnung am Morgen verlassen hatte, war der Ventilator aus gewesen. Und angesichts des bevorstehenden Winters käme nur ein Verrückter auf die Idee …
    »Rate mal, wer da ist«, rief Kozlow und sprang aus dem Schrank in der Diele. Und als Jared sich umdrehte, schlug ihm Kozlow mit der Handfläche gegen die Nase. »Sie waren heute im Büro!«, brüllte Kozlow. Jareds Nase begann sofort heftig zu bluten.

Weitere Kostenlose Bücher