Der Fall
es –«
»Es handelt sich um einen Notfall«, unterbrach Sara den Richter, worauf dieser sie nach einem prüfenden Blick aufforderte: »Kommen Sie nach vorn.«
Jared und Moore folgten Sara an die Richterbank.
Sara beugte sich zu Bogdanos vor. »Entschuldigen Sie bitte, wenn ich die Verhandlung unterbrechen muss, Euer Ehren, aber mein Assistent teilt mir eben mit, dass eine unserer Hauptzeuginnen heute Morgen tot aufgefunden wurde.«
»Was?«, entfuhr es Jared.
»Wer?«, fragte Moore. »Ms. Harrison?«
»Kein Wort mehr«, warnte der Richter. Er blickte zu den Geschworenen hinüber. »Meine Damen und Herren, so Leid es mir tut, aber wir brauchen noch ein paar Minuten, bevor wir anfangen können. Deshalb müssen wir Sie bitten, noch einmal auf dem Gang zu warten, bis wir fertig sind. Mitchell, wären Sie vielleicht so freundlich …«
Als der Beamte die Geschworenen aus dem Saal gebracht hatte, fragte Jared: »Wer ist es? Was ist passiert?«
»Claire Doniger«, sagte Sara. »Sie haben sie heute Morgen gefunden. Sie wurde ermordet.«
»Was?« Kozlow klang schockiert.
»Verschonen Sie uns mit Ihrem scheinheiligen Getue«, fuhr Moore ihn an.
»Unterstehen Sie sich, hier irgendwelche Anschuldigungen vorzubringen.« Jared deutete mit dem Finger drohend auf Moore.
»Genug«, sagte Bogdanos. »Ms. Tate, was soll ich Ihrer Meinung nach tun?«
Sara sah Moore an.
»Wir möchten um einen Aufschub bitten, bis uns mehr Informationen vorliegen«, erklärte Moore. »Uns ist natürlich klar, dass die Verhandlung weitergeführt werden muss, aber wir brauchen mindestens einen oder zwei Tage, um unsere Prozessstrategie zu revidieren. Claire Doniger war eine wichtige Zeugin.«
»Euer Ehren, für einen Aufschub besteht kein Anlass«, schaltete sich Jared ein. »Dieser Todesfall mag zwar überraschend kommen, aber ihre Aussage war nicht von Bedeutung. Ich verlange, den Antrag –«
»Eben ist ein Zeuge gestorben, Mr. Lynch«, erklärte Bogdanos vorwurfsvoll. »Selbst Sie sollten das zur Kenntnis nehmen. Antrag stattgegeben. Wir fahren Montagmorgen fort.«
»Was hat er gesagt?«, fragte Kozlow, als Jared den Hörer auf die Gabel des Münzapparats im Erdgeschoss der Centre Street 100 zurücklegte.
»So habe ich Rafferty noch nie erlebt. Er war fix und fertig. Seine Stimme zitterte. Er hat mir ständig Fragen gestellt, aber er machte den Eindruck, als hörte er gar nicht richtig zu.« Jared nahm seine Aktentasche und ging auf die Eingangstür des Gerichtsgebäudes zu. »Um allerdings ehrlich zu sein, muss ich gestehen, ich dachte, Sie selbst hätten –«
»Sind Sie komplett verrückt, oder was? Das ist nicht irgendeine tattrige alte Nachbarin – wir reden hier von Claire. Rafferty war verrückt nach ihr. Er hätte mir schon den Schädel eingeschlagen, wenn ich sie nur einen Moment zu lange angesehen hätte.«
»Vielleicht hatten sie Streit oder so.«
»Völlig ausgeschlossen. Und sie haben sie wirklich mit einem Messer im Kopf gefunden?«
»Hört sich so an, als wäre sie übel zugerichtet worden. Haben Sie eine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?«
»Mir fällt da nur einer ein. Und wenn er’s war, tut er mir jetzt schon leid. Rafferty wird ihn in Stücke reißen.«
Conrad Moore versuchte so leise wie möglich zu sein, als er die drei Stockwerke zu Elliotts Wohnung hinaufstieg. Er nahm nicht an, dass Elliott zu Hause wäre, aber er wollte kein Risiko eingehen. Deshalb hatte er auch darauf bestanden, allein herzukommen.
Nach allem, was passiert war, war das die einzige Möglichkeit, um zu verhindern, dass nichts davon nach außen durchdrang. Nur Verschwiegenheit garantierte ihm, dass er ungestört blieb. Und wenn er ungestört blieb, war der Rest ganz einfach: Er musste sich nur Zutritt zu Elliotts Wohnung verschaffen und warten, bis Elliott nach Hause kam. Wenn er ihn überrumpeln konnte, war er automatisch im Vorteil. Und wenn er schließlich zur Tür hereinkam, würde er ihm den Sachverhalt darlegen: dass die Fingerabdrücke auf dem Messer, mit dem Claire Doniger ermordet worden war, nachweislich von ihm stammten und dass inzwischen alle wussten, dass er sie umgebracht hatte.
Natürlich würde Elliott alles leugnen, aber das spielte keine Rolle. Es kam nur darauf an, dass er über Saras Angebot in Kenntnis gesetzt wurde: Wenn er, Elliott, sich bereit erklärte, gegen Kozlow und Rafferty auszusagen, würde die Anklage wegen Mordes an Claire Doniger auf Totschlag reduziert werden. Und wenn Moore ihn dazu bewegen
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