Der falsche Apostel
Lebendigen
Gott gesegnet war. Seine Nächstenliebe und seine freundliche Natur waren ebenso berühmt wie seine musikalischen Fähigkeiten.
Äbte und Stammesfürsten, sogar der König von Cashel, alle haben sich seiner musikalischen Begabung bedient, um Trost für ihre
betrübten Gemüter zu finden.«
Fidelma schaute Pater Allán skeptisch an, während er die Tugenden Moenachs so begeistert pries.
»Bruder Moenach, ein achtzehnjähriger Mönch, wurde also umgebracht?«, fasste sie zusammen.
Der Vater Superior der Klostersiedlung nickte.
»Wann?«
»Es geschah vor einer Woche.«
Fidelma seufzte. Das bedeutete, dass es für sie nur noch wenige Anhaltspunkte gab. Und zweifellos hatte man Bruder Moenach
schon vor Tagen in allen Ehren begraben. Doch sie hatte dem Abt von Lios Mór Mochuda versprochen, in dem Fall zu ermitteln.
Die winzige Klostersiedlung unterstand nämlich seiner kirchlichen Rechtsprechung.
»Wie ist das Verbrechen geschehen?«
»Eine Frau aus dem Dorf, sie heißt Muirenn, hat ihn umgebracht. Wir haben sie eingesperrt, damit sie vor die Stammesfürsten
geführt und auf dem schnellsten Wege …«
»Nicht ehe sie vor dem hiesigen Brehon ordentlich angehört |298| wurde«, unterbrach ihn Fidelma. »Aber ich habe nach dem Wie gefragt, nicht nach dem Wer.«
Pater Allán runzelte die Stirn.
»Ich verstehe nicht ganz.«
»Schildere mir bitte den Hergang der Tat.«
»Eines Abends kam Bruder Aedo angerannt und suchte mich. Es war kurz vor der Vesper, wenn ich mich recht erinnere. Er brachte
gerade Gemüse vom Dorf durch den Wald zum Kloster, als er bemerkte, dass sich zwischen den Bäumen etwas bewegte. Neugierig
geworden, ging er der Sache nach. Zu seinem Entsetzen fand er dabei auf einer Lichtung die Leiche von Moenach. Daneben kniete
eine alte Frau aus dem Dorf, Muirenn. Sie hielt einen Stein in der Hand. Daran klebte Blut, wie auch am Kopf von Moenach Blut
war. Bruder Aedo rannte erschrocken fort und kam schnurstracks zu mir, um mir von dieser schrecklichen Angelegenheit zu berichten
…«
»Rannte fort? Hast du nicht gesagt, dass Muirenn eine alte Frau ist? Was hat ihm denn da solche Angst eingejagt?«
Der Vater Superior fragte sich, ob Fidelma das sarkastisch meinte, war sich aber nicht sicher.
»Muirenn hat Aedo so bitterböse angeschaut, dass er um sein Leben fürchtete«, erklärte Pater Allán. »Wenn sie Moenach töten
konnte, dann war doch auch Aedo in Gefahr.«
»Im Augenblick nehmt ihr hier also nur an, dass Muirenn die Täterin ist. Was geschah dann? Nachdem Aedo dir Bericht erstattet
hatte?«
»Einige von uns gingen zu der Lichtung, wo er die Leiche gefunden hatte. Moenach lag noch immer da. Man hatte ihm von hinten
den Schädel eingeschlagen. Neben ihm entdeckten wir einen blutbefleckten Stein, den Muirenn offensichtlich dort hatte fallen
lassen. Wir jagten ihr hinterher und spürten sie auf, in ihrer Hütte im Dorf versteckt …«
|299| »Versteckt? Warum hätte sie in ihr Dorf und ihre Hütte zurückkehren sollen? Sie wusste doch, dass man sie gesehen und erkannt
hatte. Da wäre ihre Hütte wohl der letzte Ort, zu dem sie geeilt wäre. Und wie hatte sie sich verborgen? Hatte sie sich irgendwo
in der Hütte verkrochen?«
Mit einem leisen, ärgerlichen Seufzer schüttelte Pater Allán den Kopf.
»Ich behaupte nicht, dass ich weiß, wie sie denkt. Jedenfalls haben wir sie in ihrer Hütte vorgefunden. Sie saß dort am Herd.
Wir haben sie eingesperrt, damit du sie vor ihrer Anhörung durch den Brehon befragen kannst.«
»Dann hat sie sich wohl kaum ›versteckt
‹
, nach allem, was du mir erzählst«, meinte Fidelma ein wenig verächtlich. »Hat sie die Tat gestanden und einen Grund genannt,
warum sie Moenach umgebracht hat?«
Der Vater Superior schniefte abfällig.
»Sie behauptet, überhaupt nichts von dem Mord zu wissen, obwohl wir einen Augenzeugen haben.«
»Einen Augenzeugen?« Fidelmas Stimme hatte eine gewisse Schärfe. »Wer ist denn euer Augenzeuge?«
Pater Allán litt sichtlich, so als hätte er es mit einem ein wenig begriffsstutzigen Schüler zu tun. »Nun, Bruder Aedo natürlich.«
»Aber du hast mir doch eben gesagt, dass er nur gesehen hat, dass die alte Frau neben Moenach kniete und einen blutigen Stein
in der Hand hielt. Also war er nicht Augenzeuge des eigentlichen Mordes.«
Pater Allán machte den Mund auf und wollte schon protestieren, bemerkte dann aber das wütende Funkeln in Fidelmas Augen …
Waren sie
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