Der falsche Apostel
helfen.«
»Wir haben doch gemeinsam festgestellt, dass der Pfeil erst in die Wunde gesteckt wurde, als Illan bereits tot war. Eine Irreführung
also. Illan wurde mit einem Dolch erstochen und nicht mit dem Pfeil getötet.«
Laisran schlug sich mit der Hand vor den Kopf. Bei dem Kreuzverhör von Bressal und Sílán, das er erregt mitverfolgt hatte,
war ihm der entscheidende Punkt glatt entfallen.
»Glaubst du, da ist eine Verschwörung im Gange, um Bressal als schuldig erscheinen zu lassen?«
»Ja, der Auffassung bin ich.«
|358| Wie vom Donner gerührt, blieb er stehen.
»Wer aber …? Du glaubst doch nicht etwa, der König …? Dass Fáelán in Sorge geraten war, sein Pferd könnte nicht gegen das
von Bressal gewinnen, und er einen so verteufelten Plan ausgeheckt hat?«
»An deiner Hypothese ist etwas dran, aber noch bleibt einiges zu tun, ehe wir mit ihr arbeiten können«, entgegnete sie zurückhaltend.
Énna stand plötzlich vor ihnen.
»Warst du bei Bressal, Schwester?«, fragte er anstelle einer Begrüßung.
Sie nickte.
»Und, hat er sich schuldig bekannt?«
Sie schaute ihn nachdenklich an.
»Wieso? Hältst du ihn für schuldig?«
»Was heißt, für schuldig
halten
? Das steht doch außer Zweifel.«
»Nach unseren Gesetzen muss jemandem, wenn er nicht von sich aus seine Schuld bekennt, eine Missetat nachgewiesen werden.
Bressal weist jede Schuld von sich. Im Ergebnis meiner Ermittlungen müsste ich ihn des Verbrechens überführen können.«
»Das dürfte nicht weiter schwierig sein.«
»Das sagst du.« Er spürte ihren spöttischen Unterton, wohl war ihm dabei nicht. »Ich hätte gern, dass sich alle, die von der
Sache betroffen sind, in Fáeláns Zelt einfinden: Bressal, Sílán, Angaire, Murchad, Fáelán und Muadnat, du und Dagháin. Ich
werde dort das Ergebnis meiner Nachforschungen darlegen.«
Énna eilte davon, und Fidelma wandte sich Laisran zu.
»Geh schon zu Fáeláns Zelt und warte dort auf mich. Ich bin gleich da.« Und auf seinen fragenden Blick fügte sie hinzu: »Ich |359| muss mich noch einer Sache vergewissern, damit alles Hand und Fuß hat.«
Sie waren ihrer Aufforderung gefolgt und hatten sich im Zelt von Fáelán, dem König von Laighin, versammelt.
»Es ist eine höchst merkwürdige Geschichte, die sich hier abgespielt hat«, begann sie, nachdem der König ihr das Wort erteilt
hatte. »Was anfangs offenkundig schien, wurde immer rätselhafter und undurchsichtiger. Bis eben noch.« Sie verzog ihr Gesicht
zu einem breiten Lächeln.
»Und was hat sich ergeben?«, drängte Fáelán.
»Jetzt fügen sich alle Mosaiksteinchen zu einem Ganzen. Zunächst ist natürlich das Beweismaterial gegen Bressal erdrückend.«
»Es ist nicht wahr. Ich bin nicht schuldig«, ereiferte sich Bressal.
Mit erhobener Hand gebot ihm Fidelma Schweigen.
»Ich habe nicht gesagt, dass du schuldig bist, sondern nur, dass die Beweislage gegen dich erdrückend war. Träfe dich wirklich
die Schuld oder hätte Sílán die Tat in deinem Auftrag begangen, dann hättest du gewusst, dass Illan nicht mit einem Pfeil,
sondern mit einem Dolch erstochen wurde. Allein der tatsächliche Mörder und die Person, die den Pfeil in die Wunde gesteckt
hat, konnten das wissen. Mit dem in dem Toten steckenden Pfeil wollte man die Wahrheit vertuschen und die Fährte zu Bressal
hin lenken. Man hatte gehofft, ich würde den Pfeil für das Mordwerkzeug halten und die offensichtliche, aber falsche Schlussfolgerung
ziehen.«
Erleichtert seufzte Bressal auf. Auch Sílán hinter ihm gab sich entspannter.
»Als Erstes ging ich dem Tatmotiv näher auf den Grund, das für alle klar schien«, führte Fidelma aus. »Ein jeder glaubte, |360| Illan und auch Aonbharr, das Pferd, seien umgebracht worden, damit sie für das heutige Rennen von vornherein ausscheiden.
Wer hätte aus der Situation einen Gewinn ziehen können? Bressal natürlich, denn sein Pferd Ochain mit Murchad, seinem Jockey,
waren außer Illan und Aonbharr die einzigen ernstzunehmenden Teilnehmer. Wenn Bressal nun aber keine Schuld trifft, wer kommt
dann als Täter in Frage? Wer sonst zöge aus dem Mord einen Nutzen? Murchad vielleicht, der eine hohe Wette auf seinen Sieg
gesetzt hatte? Laisran hatte schon heute am frühen Morgen gesehen, wie Murchad – von sich überzeugt – einen hohen Wetteinsatz
riskierte.«
»Das ist nicht gesetzeswidrig!«, rief Murchad hochrot vor Wut. Fidelma schenkte ihm keine Beachtung und fuhr
Weitere Kostenlose Bücher