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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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unverständlichem
     Kauderwelsch. Schließlich gab Fidelma ihr ein Zeichen zu schweigen, öffnete die Tür und rief Branar, die sich verunsichert
     erhob.
    »Nun, was hast du gehört?«
    »Ich habe dich ganz laut reden hören, Schwester, nur konnte ich nicht alles verstehen, was du gesagt hast.«
    Fidelma strahlte übers ganze Gesicht. »Aber du hast
meine
Stimme gehört?«
    »O ja.«
    »Klar und deutlich meine Stimme?«
    »O ja.«
    Fidelma wandte sich um und stieß die Tür weiter auf. Branars Mutter schlurfte näher und war nicht weniger verblüfft als ihre
     Tochter.
    »Die Stimme, die du gehört hast, war die Stimme deiner Mutter, Branar. Bist du immer noch bereit, zu schwören, dass es Liadin
     war, die sich mit Scoriath hinter der geschlossenen Tür stritt?«
     
    Die Räumlichkeiten, die Liadin und Scoriath bewohnt hatten, lagen neben den Stallungen, nicht weit vom Haupttor der Festung
     entfernt. Die Wohnung bestand aus drei Kammern: einem Wohnraum, einer Schlafkammer und einem davon abgehenden Gelass, in dem
     ihr kleiner Sohn sein Bett hatte und in dem Liadin ihre Gewänder aufbewahrte. Die Räume wirkten jetzt kalt und unwirtlich,
     obwohl sie genügend Gegenstände enthielten, die einst ein Gefühl der Behaglichkeit verbreiteten. Vielleicht lag es daran,
     dass auf der Herdstelle kein Feuer brannte und der düstere Tag alles noch kälter erscheinen ließ.
    |390| Rathend durchquerte den Raum, in dem Mahlzeiten gekocht und gegessen wurden; über der toten Asche hing ein eiserner Kessel
     an einem Haken.
    »Hier wurde Scoriath ermordet«, erklärte Rathend und betrat die geräumige Schlafkammer.
    Die Granitblöcke der Wände waren mit Wandbehängen verkleidet. Es gab keine Fenster, der Raum war dunkel. Rathend bückte sich
     und entzündete eine Talgkerze. Im Lichtschein war eine breite, mit Schnitzwerk verzierte Bettstatt zu erkennen, auf der in
     einem wüsten Durcheinander Laken und Decken lagen. Sie wiesen Flecken getrockneten Bluts auf.
    »Scoriath hat hier gelegen. Das Kind haben wir da an der Tür zur Nebenkammer gefunden«, erläuterte Rathend.
    Fidelma bemerkte die dunkle Spur auf dem Fußboden, die zum überwölbten Durchgang in das kleinere Gelass führte. Neben der
     Schwelle war ein etwas größerer Blutfleck. Sie folgte Rathend in den Nebenraum. Im Schein der Kerze, die er hochhielt, sah
     sie, dass die Blutspur bis zu einer großen Holztruhe führte, wie Conn es geschildert hatte. Ihr fielen größere Fußspuren in
     dem getrockneten Blut auf; offenbar hatte Conn sie bei der Durchsuchung des Tatorts hinterlassen und damit die eigentlichen
     Spuren des Mörders überdeckt.
    »Das ist die Truhe, in der Liadins blutbeflecktes Kleid und das Messer gefunden wurden«, bedeutete ihr der Brehon. »Ne ben der Truhe steht das Kinderbettchen. Dort sind keine Blutflecken, sodass wir schließen können, der Junge wurde da erstochen,
     wo wir ihn fanden.«
    Fidelma erwiderte nichts, ging zur größeren Schlafkammer zurück und sah sich darin um.
    »Suchst du etwas Bestimmtes, Schwester?«
    »Ich weiß es selber nicht … Doch da!« Sie wies auf eine Buchtasche, die an der Wand hing. Sie nahm sie herunter und zog |391| einen Codex heraus. Der Ledereinband war künstlerisch verziert, aber leider durch dunkle Schmierflecken verdorben.
    Ehrfürchtig legte sie den Band auf einen Tisch und winkte Rathend, die Kerze höher zu halten.
    »Herrlich«, sagte sie beim Aufschlagen der ersten Seite. »Das ist eine Abschrift der
Hexapla
des Origenes. Was haben Scoriath oder Liadin ausgerechnet damit gewollt?«
    Dem Brehon dauerte das alles schon zu lange. »Ich kenne kein Gesetz, das den Besitz von Büchern verbietet.«
    »Dennoch ist es ungewöhnlich, gerade dieses Werk hier zu finden.« Fidelma ließ sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen und
     blätterte Seite um Seite um. Es war eine Sammlung hebräischer religiöser Texte, die Origenes, Haupt der Christenschule von
     Alexandria, vor drei Jahrhunderten zusammengestellt hatte. Er hatte in nebeneinander stehenden Spalten den Text in Hebräisch,
     Griechisch und auch Latein angeordnet.
    Bei einem Blatt stutzte Fidelma. Dort begann ein Kapitel mit der Überschrift
Apokrypto
, und jemand hatte einen Abschnitt darin angestrichen. Fidelma besann sich auf ihre Griechisch-Kenntnisse. Das Wort bedeutete
     »verborgene Texte«. Sie las den Abschnitt und runzelte die Stirn. Die Geschichte handelte von dem assyrischen König Nebukadnezar,
     der sein Heer gegen die Israeliten

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