Der falsche Apostel
als Geldquelle benutzt. Ohne Gewissensbisse
folgt sie dem Grundsatz
lucri bonus est odor ex re qualibet
.«
»Ist das nicht Juvenal, aus seinen
Satiren
? ›Süß ist der Geruch des Geldes, egal, woher es kommt.‹«
|428| Heiter nickte sie ihm zu.
»Bestell Irél, Tressach und Garbh auf dein Zimmer. Ich bin so weit, ich glaube, ich hab des Rätsels Lösung.«
Nur wenig später drängten die drei Männer gespannt herein. Fidelma hatte vor dem Feuer auf einem Stuhl Platz genommen, während
Colmán neben ihr stand, die Hände auf dem Rücken.
Aufmerksam sah sie einen nach dem anderen an, ehe sie sich Tressach, dem Krieger, zuwandte.
»Wie lange stehst du schon hier in Tara im Dienst, Tressach?«
»Drei Jahre, Schwester.«
»Und seit wann ist auch die Überwachung der Grabmäler der Hochkönige Teil deiner Pflichten?«
»Seit einem Jahr.«
»Und du, Irél? Du bist der Befehlshaber der Leibgarde in Tara. Seit wann tust du hier Dienst?«
»Ich habe vor zehn Jahren meinen Dienst bei den Hochkönigen angetreten. Damals war noch Conall Cáel der Hochkönig. Befehlshaber
bin ich seit einem Jahr.«
Ernst ruhte ihr Blick auf beiden, dann schüttelte sie verständnislos den Kopf.
»Seit wann ist Sechnusach Hochkönig?«
Irél krauste die Stirn, er begriff den Sinn ihrer Frage nicht. Machte sie sich über ihn lustig? Sie verzog doch aber keine
Miene!
»Seit wann? Das weißt du nur allzu gut. Jeder weiß das. Vor drei Jahren raffte die Gelbe Pest innerhalb einer Woche die beiden
Hochkönige Diarmuid und Blathmac dahin. Nach ihnen wurde Sechnasach Hochkönig.«
»Vor drei Jahren war das?«
Auch Colmán wunderte sich, wie sie das vergessen haben konnte. »Du musst das doch wissen, Fidelma. Du warst doch damals selbst
in Tara.«
|429| Sie beachtete seinen Einwurf nicht und stellte Irél unbeirrt weitere Fragen.
»Wie steht es um den Hochkönig? Ist er bei guter Gesundheit?«
»Meines Wissens, ja, Gott sei es gedankt«, erwiderte Irél, nun schon leicht gereizt.
»Und seine Familie?«, fuhr Fidelma erbarmungslos fort. »Ist auch sie wohlauf?«
»O ja, der Hochkönig ist glücklich und zufrieden.«
»Bei deiner Ankunft hier habe ich dir doch davon berichtet«, warf Colmán verdrossen ein und fürchtete schon, Fidelma leide
an Gedächtnisschwund.
»Was für einen Grund gibt es dann, hinter der Grabstätte von Tigernmas ein neues Grab auszuheben?«
Sie hatte die Frage so leise gestellt, dass ein, zwei Augenblicke vergingen, ehe alle den Sinn ihrer Worte begriffen hatten.
Fidelmas wache, grüne Augen ruhten auf dem Friedhofswärter.
Garbh machte den Mund auf und stammelte etwas, verstummte aber gleich wieder und senkte den Kopf.
»Haltet ihn«, wies sie die anderen ruhig an. »Er ist wegen vorsätzlichen Mordes und Grabschändung festzunehmen.«
Vollends überrascht folgten Irél und Tressach ihrer Anordnung und nahmen den Friedhofswärter in ihre Mitte.
Fidelma erhob sich und sah Garbh voller Trauer an. »In den vergangenen drei Jahren ist weder ein Hochkönig noch ein Mitglied
seiner Sippe verstorben. Sechnusach ist jung und erfreut sich bester Gesundheit. Warum also musste bei den Grabmälern der
Hochkönige ein neues Grab ausgehoben werden? Könntest du uns das erklären, Garbh, oder soll ich es für dich tun?«
Garbh schwieg.
|430| »Du hast ein Grab ausgehoben, um einen Durchgang zu Tigernmas’ Grabstätte zu schaffen, nicht wahr?«
»Was sollte einen veranlassen, in eine alte Grabstätte einzudringen?«, fragte Colmán, den es verdross, das ihn der Anblick
des frisch ausgehobenen Grabes nicht selbst stutzig gemacht hatte.
»Das Vorhaben, sie auszurauben«, erwiderte Fidelma. »Wo sind all das Gold, Silber und die Juwelen geblieben, die man mit Sicherheit
Tigernmas beigegeben hat? Ein einziger Silberbarren und ein paar verstreute Edelsteine lagen in der Grabkammer auf der Erde
herum. Tigernmas’ Leben war von vielen Legenden umwoben. Aber man weiß auch, dass er über einen reichen Königshof geherrscht
hat. Gewiss haben ihm unsere Vorfahren, wie es Sitte und Brauch war, reiche Grabgaben auf die Reise in die Anderswelt mitgegeben.«
Beschämt blickte Irél drein. Fidelma hatte ihn bei der gemeinsamen Besichtigung darauf hingewiesen, aber er hatte sich nichts
weiter dabei gedacht.
»Trotzdem bleibt vieles ungeklärt«, meinte er. »Wie ist, zum Beispiel, Fiacc, dieser Richter, da hineingelangt? War er dahintergekommen,
was Garbh vorhatte, und wollte ihn
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