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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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wie das Gefieder eines Raben. Seine Augen waren tiefliegend, aber
     dunkel und stechend. Als er seiner Gereiztheit Ausdruck verlieh, zeigte sein ganzer Körper seinen Ärger.
    »Vielleicht liegt es daran, dass die Angelegenheit für den Abt so unklar ist, wie sie dir klar erscheint«, antwortete Schwester
     Fidelma in unschuldigem Tonfall. Das aggressive Verhalten des Priesters beeindruckte sie nicht.
    Pater Febal runzelte die Stirn. Mit verengten Augen studierte er ihre Gesichtszüge, als suche er nach irgendeiner versteckten
     Botschaft. Doch Fidelmas Gesicht blieb eine Maske ungerührter Aufrichtigkeit. Er presste verärgert die Lippen zusammen.
    |465| »Dann kannst du zum Abt zurückkehren und ihm berichten, dass es keinen Grund zur Beunruhigung für ihn gibt.«
    Fidelma lächelte. In der Haltung ihrer Schultern deutete sich ein Achselzucken an.
    »Der Abt nimmt seine Stellung als Vater seiner Herde sehr ernst. Er wird mehr über dieses Unglück wissen wollen, bevor er
     überzeugt ist, dass er sich nicht beunruhigen muss. Da die Angelegenheit für dich so klar ist, kannst du sie mir vielleicht
     erklären?«
    Pater Febal blickte die Nonne an. Zum ersten Mal bemerkte er einen Unterton kalter Entschlossenheit in ihrer sanften Stimme.
    Er war sich bewusst, dass Fidelma nicht nur eine einfache Nonne war, sondern eine anerkannte Anwältin an den Gerichtshöfen
     der Brehons der fünf Königreiche. Er wusste außerdem, dass sie die jüngere Schwester des Königs Colgú von Cashel selbst war.
     Anderenfalls hätte er der jungen Frau vielleicht schroffer geantwortet. Er zögerte einige Augenblicke und zuckte dann gleichgültig
     mit den Schultern.
    »Die Tatsachen liegen deutlich zutage. Mein Gehilfe, Pater Ibor, ein junger und arbeitsscheuer Mann, verschwand vorgestern.
     Ich wusste schon seit einiger Zeit, dass ihm etwas Sorgen bereitete, etwas, das ihn von seinen priesterlichen Pflichten ablenkte.
     Ich habe versucht, mit ihm darüber zu sprechen, aber er hat sich geweigert, sich von mir leiten zu lassen. Ich kam an diesem
     Morgen in die Kirche und sah, dass unser goldenes Altarkruzifix und der silberne Kelch, mit dem wir beim Abendmahl den Wein
     ausgeben, verschwunden waren. Nachdem ich herausgefunden hatte, dass auch Pater Ibor aus unserer kleinen Gemeinde verschwunden
     war, bedurfte es keines besonderen Spürsinns, um die beiden Ereignisse miteinander in Verbindung zu bringen. Er hatte offensichtlich
     die heiligen Gegenstände gestohlen und war geflohen.«
    |466| Schwester Fidelma nickte langsam.
    »Nachdem du zu diesem Schluss gekommen warst, was hast du als Nächstes getan?«
    »Ich habe sofort die Suche nach Pater Ibor organisiert. Unserer kleinen Kirche hier dienen Bruder Finnlug und Bruder Adag.
     Sie habe ich um Hilfe gebeten. Bevor Bruder Finnlug in den Orden eingetreten ist, war er oberster Jäger des Lords von Maine,
     ein hervorragender Fährtensucher und Jäger. Wir nahmen Ibors Spur auf und folgten ihr in die nah gelegenen Wälder. Wir waren
     noch nicht weit in den Wald vorgedrungen, als wir seine Leiche fanden. Er hing am Ast eines Baumes, die Kordel seiner Kutte
     als Schlinge um den Hals.«
    Schwester Fidelma war nachdenklich geworden.
    »Und wie hast du das gedeutet?«, fragte sie leise.
    Pater Febal war verwirrt.
    »Wie hätte ich es schon deuten sollen?«, wollte er wissen.
    Fidelmas Miene veränderte sich nicht.
    »Du hast mir gesagt, du glaubtest, dass Pater Ibor das Kruzifix und den Kelch gestohlen und sich davongemacht hätte.«
    »Das ist wahr.«
    »Dann sagtest du, dass ihr ihn, an einem Baum hängend, gefunden habt.«
    »Wieder richtig.«
    »Nachdem er die wertvollen Gegenstände gestohlen hatte und davongelaufen war, weshalb sollte er sich erhängen? Diese Vorgehensweise
     erscheint mir etwas unlogisch.«
    Pater Febal versuchte nicht einmal, sein höhnisches Lächeln zu verbergen.
    »Das sollte für dich ebenso offensichtlich sein wie für mich.«
    »Ich würde gerne hören, was du gedacht hast.« Fidelma ließ sich von seinem verächtlichen Tonfall nicht provozieren.
    |467| Pater Febal lächelte dünn.
    »Nun, Pater Ibor wurde von Reue überwältigt. Da er wusste, dass wir ihn stellen würden, und erkannte, wie abscheulich sein
     Verbrechen gegen die Kirche war, gab er sich der Verzweiflung hin und vollstreckte seine eigene Strafe. Er erhängte sich.
     Seine Furcht, wir könnten ihn noch lebend vorfinden, war so groß, dass er sich auch noch selbst mit dem Messer ins Herz stach,
    

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