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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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Gertrude ist nicht mehr in ihrem
marsupium
«, erwähnte Ballgel. »Ich habe überall nach der Phiole gesucht. Die ist wertvoll. Aber vor allem: wo ist Schwester Della?«
    Fidelma holte tief Luft.
    »Für euch ist vielleicht das Heilige Blut wertvoll, ja. Aber für einen Dieb nicht. Es hätte keinen Zweck, es zu stehlen, denn
     wie sollte man es zu Geld machen?«
    »Brauchen Diebe und Räuber denn einen Zweck?«
    »Alle Menschen brauchen einen Zweck. Selbst die, die wir für verrückt halten, folgen einer Logik, die vielleicht nicht die
     unsere ist, sondern eine, die ihren eigenen, selbst erdachten |498| Regeln folgt. Sobald man einmal die Logik begriffen hat, ist es ganz leicht, sie nachzuvollziehen.«
    »Und was ist mit Schwester Della?«
    Fidelma nickte. »Das ist das eigentliche Geheimnis. Wenn wir sie finden, entdecken wir vielleicht auch die fehlende Phiole.
     Hat man schon nach ihr gesucht?« Diese Frage stellte sie dem Abt.
    Abt Heribert schaute Fidelma mit säuerlicher Miene an.
    »Noch nicht. Und wer bist du?«
    »Schwester Fidelma ist Anwältin an unseren Gerichtshöfen«, erklärte Äbtissin Ballgel eilig, nachdem sie den spöttischen Ausdruck
     auf dem Gesicht des Abts wahrgenommen hatte.
    »Haben Frauen in eurem Land wirklich einen solch hohen Stand?«, erkundigte er sich erstaunt.
    »Ist das so seltsam?«, fragte Fidelma ärgerlich zurück. »Je denfalls verschwenden wir kostbare Zeit. Wir müssen Schwester Della finden, denn sie ist vielleicht in Gefahr. Wenn Schwester Cessair
     nicht beraubt und nicht vergewaltigt wurde, dann besteht immer noch die Möglichkeit, dass sie aus einem privaten Motiv getötet
     wurde. Ihr zerschnittenes Gesicht lässt auf eine Boshaftigkeit schließen, die mir kalte Schauer über den Rücken jagt. Wer
     hätte so wütend auf sie sein können, dass er versuchen würde, ihre Schönheit zu zerstören? Es ist, als hätte sie ein eifersüchtiger
     Liebhaber überfallen. Denn es ist ja bekannt, dass Hass und Liebe nur zwei Seiten der gleichen Medaille sind.«
    Fidelma bemerkte, wie sich die Augen des Abtes plötzlich ein wenig weiteten. Sie sah, wie er Ballgel einen raschen Blick zuwarf
     und dann die Augen senkte.
    »Warum hat die Erwähnung eines Liebhabers eine besondere Bedeutung für dich?«, fragte sie ihn.
    Äbtissin Ballgel antwortete an seiner Stelle.
    |499| »Schwester Cessair hatte eine … eine Beziehung«, sagte sie leise.
    »Widerwärtig war das!«, grunzte Abt Heribert.
    »Eine seltsame Wortwahl.« Fidelmas Augen verengten sich. »Widerwärtig in welcher Weise?«
    »Abt Heribert ist fest vom Zölibat überzeugt«, erklärte Ballgel.
    »Aber das Prinzip des Zölibats ist doch in der Kirche keineswegs allgemein anerkannt«, warf Fidelma ein. »Es gibt viele gemischte
     Häuser, in denen Mönche und Nonnen zusammenleben und ihre Kinder zum Dienst im Weinberg Gottes heranziehen. Was ist daran
     widerwärtig?«
    »Paulus von Tarsus hat sich unmissverständlich für das Zölibat ausgesprochen, und viele andere Kirchenväter haben es ihm gleichgetan.
     Auch unter uns sind heute einige, die darauf beharren, dass wir nur durch das Zölibat die Kraft besitzen, den Glauben zu verkündigen.«
    »Ich bin nicht hier, um theologische Debatten zu führen, Heribert. Willst du mir sagen, dass Cessair in einen Ordensbruder
     aus deiner Abtei verliebt war?«
    »Gott möge ihm vergeben.« Heribert senkte fromm das Haupt.
    »Nur ihm?« Schwang da Sarkasmus in Fidelmas Stimme mit? »Sicherlich ist doch Gottes Vergebung allgemein? Wer war dieser Mönch?«
    »Bruder Cano«, antwortete Ballgel. »Er ist ein junger Mönch, der erst vor einigen Wochen aus Éireann angekommen ist. Es hat
     den Anschein, dass er und Schwester Cessair einander kennenlernten und sich sofort zueinander hingezogen fühlten.«
    »Und diese Beziehung wurde nicht gern gesehen?«
    »Mir war die Sache gleichgültig«, erwiderte Ballgel hastig. »Unsere Kultur verbietet derlei Beziehungen nicht, wie du ja |500| schon erwähnt hast. Auch Kildare, wo wir studiert haben, war ein gemischtes Haus.«
    »Abt Heribert dagegen stand der Sache nicht gleichgültig gegenüber.« Fidelma blickte den hochaufgeschossenen fränkischen Prälaten
     an.
    »Natürlich war mir das nicht gleichgültig. Meine Abtei in Fosse ist nur für Mönche vorgesehen. Ich befolge mit aller Strenge
     die Regeln des Zölibats, und ich erwarte das Gleiche auch von den Männern in meiner Gemeinschaft. Ich habe Bruder Cano mehrmals
     ermahnt, er möge diese

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