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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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nicht vorstellen, dass Äbtissin Cuimne auf diese Art Geschichten
     aus gewesen war. Als Gesandte des Erzbischofs oblag ihr, wie Fidelma wusste, die Verantwortung für eine einheitliche Gottesdienstordnung
     in Irland.
    »Keine Legende, die sie besonders gern hörte?«, versuchte es Fidelma noch einmal.
    |146| »Keine.«
    Betonte Congal seine Antwort zu entschieden? Wie immer, wenn sie das Gefühl hatte, irgendetwas stimmte nicht, oder wenn jemand
     mit der vollen Wahrheit hinterm Berg gehalten hatte, spürte Schwester Fidelma ein unangenehmes Kribbeln im Nacken.
     
    Bei ihrer Rückkehr in die Hütte des
bó-aire
nahm sie sich den Lederranzen vor, der die persönliche Habe der Äbtissin enthielt. Dabei kamen natürlich auch ganz intime
     Dinge zum Vorschein. Sie ließen Rückschlüsse auf eine Frau zu, die durchaus eitel gewesen war. Es fanden sich einige Kosmetika,
     ein Krüglein mit Parfüm, ihr Rosenkranz und schließlich ihr Kruzifix – eine großartige Arbeit aus Elfenbein und Gold, die
     mehr auf Rang und Würde als Schwester des Hochkönigs hinwies als auf ihre Rolle als demütige Nonne. Die Perlen am Rosenkranz
     waren aus Elfenbein. Auch Kleidungsstücke gehörten zum Inhalt des Ranzens, einem Lederbeutel, wie ihn Mönche und Nonnen unterwegs
     auf Reisen und Wallfahrten über der Schulter trugen.
    Sorgsam ging Schwester Fidelma alle Gegenstände ein zweites Mal durch, erst dann begriff sie, was sie beunruhigte.
    »Bist du sicher, Fogartach, dass das hier wirklich alles ist, was Äbtissin Cuimne auf ihrer Reise mithatte?«
    Der junge Schiedsmann bestätigte das mit heftigem Kopfnicken, und das gab Fidelma zu denken. Wenn sich die Äbtissin auf der
     Insel aufgehalten hatte, um irgendwelche Nachforschungen zu betreiben, dann musste sie doch etwas bei sich gehabt haben, um
     sich Notizen zu machen. Wo, zum Beispiel, war das kleine Missale, das die meisten Nonnen in gehobener Stellung bei sich führten?
     Vor über hundert Jahren, als irische Mönchen und Nonnen als Missionare in alle Welt auszogen, mussten sie die liturgischen
     und religiösen Traktate mit auf den |147| Weg nehmen. Das machte es notwendig, Schriften dieser Art so klein zu halten, das man sie in eigens dafür vorgesehenen Lederranzen,
     den sogenannten
tiag liubhar
, unterbringen konnte. Mönche, die als Kopisten solcher Bücher tätig waren, begannen folglich, Abschriften in kleinerem Format
     anzufertigen. Bis auf den heutigen Tag hatten fast alle des Lesens und Schreibens kundigen Mitglieder der Kirche ähnliche
     Büchlein bei sich. Schwer vorstellbar, dass die Äbtissin nicht einmal ein Messbuch mitgehabt haben sollte.
    Ungeduldig trommelte sie mit den Fingern auf der Tischplatte. Wenn sich die Antwort auf das Rätsel nicht auf der Insel finden
     ließ, dann vielleicht in der Wette mit Artagán, dem Bischof von An Chúis auf dem Festland. Rasch fasste sie einen Entschluss
     und teilte Fogartach, der sie erwartungsvoll beobachtet hatte, mit: »Ich brauche ein Boot, das mich sofort aufs Festland nach
     An Chúis schafft.«
    Der junge Mann starrte sie überrascht an.
    »Bist du hier fertig, Schwester?«
    »Das nicht. Aber ich muss so schnell wie möglich mit einer bestimmten Person in An Chúis sprechen. Das Boot muss dort auf
     mich warten, so dass ich noch am Nachmittag hierher zurückkehren kann.«
     
    Erstaunt erhob sich Bischof Artagán, als Schwester Fidelma in der Abtei von An Chúis sein Arbeitszimmer betrat, nachdem ein
     Mitglied seines Ordens sie in aller Form angekündigt hatte. Er hatte hier seinen Sitz und lenkte und leitete von dieser Stelle
     aus die Priesterschaft der Corco Dhuibhne.
    »Ich muss dir einige Fragen stellen, Bischof«, verkündete sie, kaum dass die Vorstellungszeremonien erledigt waren.
    »Als
dálaigh
im Rechtswesen steht dir das zu, also frage«, erklärte der Bischof, ein Mann mit schlaffem, ein wenig nervös |148| wirkendem Gesicht, dessen Alter schwer zu schätzen war. Er hatte ihr einen Sitz am wärmenden Feuer angeboten und seine Gastfreundschaft
     mit heißem Met bewiesen.
    »Äbtissin Cuimne …«, begann sie.
    »Ich habe die traurige Nachricht vernommen«, unterbrach er sie. »Sie ist zu Tode gestürzt.«
    »Richtig. Doch bevor sie auf die Insel reiste, weilte sie hier in der Abtei, nicht wahr?«
    »Sie blieb zwei Nächte, wartete auf ruhige See, um zur Insel zu gelangen«, bestätigte er.
    »Die Insel liegt in deinem Zuständigkeitsbereich?«
    »Ja.«
    »Was trieb die Äbtissin auf die Insel?

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