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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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Gelehrten mitten im Sumpf von Aillin. Der heilige Colmcille
     hatte seinerzeit eine Ordensgemeinschaft in Durrow gegründet, ehe der Hochkönig ihn ins Exil schickte und er die Ufer von
     Éireann verließ, um auf der Insel Iona im Lande Dál Riada seine berühmtere Gemeinschaft aufzubauen.
    Schwester Fidelma schritt neben dem Abt durch die langen Gewölbegänge des Klosters zu seinen Gemächern. Ordensbrüder und Laien
     huschten leise hierhin und dorthin über die Flure. Sie hatten die Köpfe gesenkt und waren ganz auf ihre jeweiligen Vorlesungen
     oder Gebete konzentriert. In Durrow hatte man vier Fakultäten eingerichtet: Theologie, Medizin, Recht und Freie Künste.
    Es war heller Morgen, die Zeit zwischen dem ersten Angelusläuten und dem Ruf des mittäglichen Angelus. Fidelma war bereits
     vor dem Morgengrauen aufgestanden und die fünfzehn Meilen nach Durrow geritten. Als Repräsentantin des Gerichts der Brehons
     genoss sie das Privileg, ein Pferd zu besitzen.
    Ein Mönch mit ernstem Gesicht lief ihnen über den Weg, blieb kurz stehen und neigte den Kopf. Es war ein dünner, schwarzäugiger
     Mann mit dunkler Haut, dem der finstere Blick so sehr zur Gewohnheit geworden war wie Abt Laisran das Lächeln. Laisran erwiderte
     seinen Gruß mit einer seltsamen kleinen Handbewegung, die den Mann eher zu verscheuchen als willkommen zu heißen schien, und
     der Mönch verschwand rasch in einem Seitenzimmer.
    |168| »Das war Bruder Finan, unser Professor der Jurisprudenz«, erklärte Laisran beinahe entschuldigend. »Er ist ein guter Mensch,
     aber völlig humorlos. Ich denke oft, dass er seinen Beruf verfehlt hat und vielleicht sein Leben besser mit Wehklagen an der
     Totenbahre verbracht hätte.«
    Er lächelte ihr schelmisch zu.
    »Finan von Durrow genießt bei den Brehons großes Ansehen«, erwiderte Fidelma betont sachlich. In Laisrans Gesellschaft fiel
     es ihr immer schwer, ernst zu bleiben.
    »Ach«, seufzte Laisran, »wie viel heller wäre unsere Welt, wenn du hierher kämest, um zu unterrichten, Fidelma. Finan lehrt
     das Gesetz buchstabengetreu, während du unseren Studenten erklären könntest, dass das Recht die Weisen führt und von Toren
     befolgt wird, dass aber die Gerechtigkeit manchmal weit über das Gesetz hinausgeht.«
    Schwester Fidelma biss sich auf die Unterlippe.
    »Manchmal ergeben sich moralische Probleme, die sich nur jenseits des Gesetzes lösen lassen«, stimmte sie ihm zu. »Ich habe
     schon zwischen Gesetz und Gerechtigkeit entscheiden müssen.«
    »Genau. Wenn Finans Studenten unser Haus verlassen, besitzen sie ein fundiertes Wissen über die Gesetze, haben aber oft nur
     geringe Vorstellungen von Gerechtigkeit. Vielleicht ziehst du mein Angebot doch noch in Erwägung?«
    Schwester Fidelma zögerte.
    »Vielleicht«, erwiderte sie vorsichtig.
    Laisran lächelte und nickte.
    »Sieh dich um, Fidelma. Unser Ruhm als Ort der Gelehrsamkeit ist sogar bis nach Rom vorgedrungen. Weißt du, dass unter unseren
     Studenten nicht weniger als achtzehn Sprachen gesprochen werden? Wir verlegen uns auf Latein und manchmal auf Griechisch als
     unsere
lingua franca
. Und unsere Studierenden |169| sind nicht nur Kinder der Gael. Wir beherbergen hier auch einen jungen fränkischen Prinzen, Dagobert, und sein Gefolge. Dazu
     noch die angelsächsischen Prinzen Wulfstan, Eadred und Raedwald. Eine ganze Reihe Angelsachsen. Da wäre zunächst noch Talorgen,
     ein Prinz von Rheged im Land der Britannier …«
    »Ich habe gehört, dass die Angelsachsen gegen Rheged Krieg führen, dass sie versuchen, sein Land an sich zu reißen, um ihre
     eigenen Gebiete zu erweitern«, meinte Fidelma. »Das wird wohl die Beziehungen zwischen den Studenten nicht gerade einfach
     machen.«
    »Ah, das stimmt. Unsere irischen Mönche in Northumbria versuchen, die Angelsachsen zu einem Leben im Sinne Christi, einem
     Leben der Gelehrsamkeit und Frömmigkeit zu erziehen, aber sie sind und bleiben nun einmal ein grimmiges Kriegervolk, das nur
     auf Eroberung, Plündern und Land aus ist. Elmet fiel, als ich noch ein Kind war. Wo früher einmal die Britannier von Elmet
     lebten, sind nun angelsächsische Bauern und angelsächsische Gefolgsleute angesiedelt.«
    Sie blieben vor Laisrans Zimmertür stehen. Der Abt schloss sie auf und bat Fidelma herein.
    Fidelma runzelte die Stirn. »Zwischen den Britannier und den Angelsachsen hat es in den letzten zweieinhalb Jahrhunderten
     ständig nur Krieg gegeben. Da ist es doch sicherlich schwierig,

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