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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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sondergleichen. Alles Dinge, die unser Heiland verabscheute. War er es doch, der die Händler und Geldwechsler aus
     dem Tempel verjagte! Wie würde er da erst heute gegen die vorgehen, die seine Lehre nutzen, um schnöden Gewinn daraus zu schlagen?
     Nein, eine solche Zukunft möge unserer Insel erspart bleiben. Das würde unseren Lebenswandel und unser ganzes Denken und Fühlen
     zunichte machen.«
    Erneut hatte sich seine Stimme zu voller Kraft aufgeschwungen.
    »Was hast du getan, als die Äbtissin deine Vorhaltungen missachtete?«, fragte Schwester Fidelma und blieb ruhig.
    »Anfangs hoffte ich noch, sie würde die Zeichen nicht richtig deuten können, die den Weg zum Fundort wiesen. Doch sie konnte
     es. Es war an dem Morgen des Tages, an dem sie abreisen wollte …«
    Er brach ab, verzog das Gesicht vor Schmerz und rang nach Luft. Fidelma wollte schon den Apotheker rufen, aber er wehrte ab.
     Sie wartete geduldig, bis er schließlich weitersprach.
    »Rein zufällig sah ich Äbtissin Cuimne auf dem Pfad, der nach Aill Tuatha, der Nordklippe, führt. Ich folgte ihr und hoffte
     im Stillen, sie hätte nicht ein bestimmtes Ziel im Auge. Aber sie wusste, wohin sie wollte.«
    »Ist dort die Reliquie verborgen? In einer der Höhlen an der Felswand Aill Tuatha?«
    Er nickte ergeben.
    »Die Äbtissin begann hinunterzuklettern. Sie hatte es sich leicht vorgestellt. Ich versuchte, sie zurückzuhalten, warnte sie
     vor den Gefahren.«
    Wieder schwieg er. Die wässrigen Augen verrieten tiefe innere Bewegung.
    »Bald werde ich vor meinem Gott stehen. Auf der Insel gibt es keinen anderen Priester. Ich muss meinen Frieden mit dir |160| schließen, meine Tochter. Was ich jetzt sage, ist das, was ich zu bekennen habe. Verstehst du?«
    Zwei Seelen kämpften in ihrer Brust. Sie musste sich entscheiden zwischen ihrer Rolle als Anwältin beim Gericht der Brehons
     und der als Mitglied eines religiösen Ordens, womit sie zur Wahrung des Beichtgeheimnisses verpflichtet war.
    »Ich verstehe, Pater.« Sie nickte ihm beruhigend zu. »Was also geschah?«
    »Die Äbtissin machte sich an den Abstieg zum Höhleneingang. Ich warnte sie laut, wenn es denn schon sein müsste, so wäre äußerste
     Vorsicht geboten. Ich wagte mich an den Klippenrand vor und beugte mich hinunter, just in dem Moment, als sie den Halt verlor.
     Sie streckte die Hand nach oben und bekam mein Kruzifix zu fassen, das ich an einer silbernen Kette um den Hals trug. Die
     Kette hielt dem Gewicht nicht stand. Ich griff nach ihr, konnte sie auch einen Moment an Schultern und Nacken packen. Doch
     ich bin alt, und mir fehlt es an Kraft. Sie entglitt meinen Händen und stürzte in die Tiefe.«
    Erschöpft von dem vielen Sprechen, rang er nach Atem. Fidelma beobachtete ihn angespannt und wagte dennoch, ihn zum Weiterreden
     zu drängen.
    »Und was geschah dann?«
    »Ich lugte hinunter und sah, sie war tot. Ich kniete nieder und betete in dem Bestreben, sie von ihren Sünden freizusprechen,
     von denen Verwegenheit und Hochmut die einzigen waren, die ich hätte nennen können. Dann kam mir ein Gedanke, der immer stärker
     wurde und mich tröstete. Wir sind alle in Gottes Hand. Was, wenn Er eingegriffen hatte? Er hätte die Äbtissin durchaus retten
     können. Stattdessen war es vielleicht Sein Wille gewesen, dass Er es geschehen ließ und das Reliquiar wie durch ein Wunder
     unentdeckt blieb. Ein Tod, um ein größeres Übel, die Vernichtung unserer Gemeinde, zu vermeiden. Die Vorstellung |161| ist mir Trost gewesen. Ich nahm mein Kruzifix auf, an dem einige Glieder der Kette fehlten, kehrte zu dem Pfad zurück und
     zwang mich, hinunter ans Ufer zu gehen und nach ihr zu schauen. Ich fand ihr Missale und darin das Pergament mit den Aufzeichnungen
     des heiligen Patrick, die ihr ein Anhaltspunkt gewesen waren. Ich nahm beides an mich und kehrte hierher zurück. Es war töricht
     von mir, ich hätte das Messbuch an Ort und Stelle lassen und nur den Pergamentstreifen daraus entwenden sollen. Ein geübtes
     Auge würde sich zu Recht wundern, weshalb sie kein Messbuch bei sich hatte. Aber ich war zu erschöpft, um mir darüber Gedanken
     zu machen, und mein Gesundheitszustand war nicht der beste. Für mich war entscheidend: Die Reliquie war sicher …, so glaubte
     ich jedenfalls.«
    Verständlich, dass Schwester Fidelma einen tiefen und sorgenvollen Seufzer von sich gab, ehe sie die Frage wagte:
    »Was hast du mit dem Pergament getan?«
    »Gott möge mir vergeben, denn obwohl es

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