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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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Armen wie ein um Gnade Flehender, der sich
     vor dem Altar niedergeworfen hatte. Sein Haar war dunkel. Er trug das Habit eines Klosterbruders und war deutlich älter als
     der Jüngling.
    Fidelma kniete sich hin, suchte mit zwei Fingern den Puls an seinem Hals. Der war zwar schwach, aber spürbar, nur fühlte sich
     der Körper unnatürlich kalt an. Sie beugte sich tiefer, drehte vorsichtig den Kopf zur Seite. Der Mann war etwa vierzig. Seine
     Züge wirkten friedvoll und sogar schön, wie |222| Fidelma fand. An der breiten Stirn hatte er eine Wunde, das Blut war bereits geronnen.
    Sie rüttelte den Mann an der Schulter, doch konnte sie ihn nicht aus der Bewusstlosigkeit holen. Sie erhob sich, zwang sich,
     ruhig zu bleiben, und eilte von Zelle zu Zelle. Überall bot sich ihr das gleiche Bild, eine jede war menschenleer.
    Lorcán kam den Pfad vom Durchlass am Klippenrand entlanggehastet. »Ich habe das Mädchen unten bei Maenach gelassen«, keuchte
     er. »Die ist völlig durcheinander. Ein Toter ist hier, hat sie gesagt.« Erregt blickte er sich um, doch von seiner Stelle
     konnte er den Baum mit dem verschandelten Leichnam nicht sehen.
    »Wo sind die alle?«
    »Einer zumindest lebt noch«, sagte Fidelma, ohne auf seine Frage einzugehen. »Um den müssen wir uns sofort kümmern.«
    Sie führte Lorcán zum Bethaus. Dem verschlug es den Atem, als er den Jungen sah, und er beugte das Knie. »Den kenne ich. Das
     ist Sacán von Inis Beag. Ich selber habe ihn in die Bruderschaft hier gebracht, das ist noch keine sechs Monate her.«
    Fidelma wies auf den Mann, der auf dem Boden lag. »Kennst du auch ihn?«
    »Oh, ihr Heiligen, steht uns bei!«, rief der Seemann, als er genauer hingesehen hatte. »Das ist Bruder Spelán.«
    Fidelma schürzte die Lippen. »Bruder Spelán?«, wiederholte sie unnützerweise.
    Lorcán nickte. »Er ist der
dominus
von Abt Selbach, der Haushälter der Bruderschaft. Wer hat so etwas getan? Wo mögen die anderen alle sein?«
    »Die Fragen versuchen wir später zu beantworten. Jetzt müssen wir ihn erst einmal an eine günstigere Stelle schaffen und ihn
     wieder zum Bewusstsein bringen. Dem Jungen – Sacán sagst du, heißt er – können wir wohl nicht mehr helfen.«
    |223| »Maenach versteht einiges von der Heilkunde der Ärzte. Lass mich ihn rufen, Schwester, der kann uns helfen, Spelán zu versorgen.«
    »Das dauert viel zu lange.«
    »Im Gegenteil, nur einen Augenblick«, versicherte ihr Lorcán und zog eine Schneckenmuschel aus dem Lederbeutel an seiner Seite.
     Er ging zur Türöffnung und blies lange und kräftig hinein. Aufgeschreckte Vogelschwärme waren eine erste Antwort darauf. Lorcán
     wartete kurz und wandte sich dann lächelnd Fidelma zu. »Maenach und die junge Schwester sind schon oben auf der Klippe, gleich
     sind sie hier.«
    »Dann hilf mir, diesen Bruder in eine Zelle nebenan zu schaffen, damit wir ihn besser betten können als hier auf dem nackten
     Boden«, forderte Fidelma ihn auf.
    Beim Niederknien, um den Mann anzuheben, bemerkte sie einen kleinen Holzbecher, der neben dem Bewusstlosen lag. Sie ergriff
     ihn und steckte ihn in ihr
marsupium
, die geräumige Tasche, die sie am Gürtel trug. Man würde ihn später untersuchen können.
    Beide trugen sie Bruder Spelán, der reichlich schwer war, in die nächste Zelle und legten ihn auf ein hölzernes Bettgestell.
    Maenach kam mit Schwester Sárnat herbeigestürzt, die sich an seinen Ärmel klammerte. Lorcán wies auf den bewusstlosen Geistlichen.
     »Kannst du den wiederbeleben?«, fragte er.
    Maenach beugte sich über den Mann, prüfte die Augenlider und fühlte den Puls. »Der liegt im Koma, wie im tiefen Schlaf.« Dann
     sah er sich die Wunde an. »Merkwürdig, dass er derart bewusstlos ist von dem Schlag, mit dem ihm diese Wunde beigebracht wurde.
     Die Wunde ist nur oberflächlich. Er atmet regelmäßig, ich bin sicher, der kommt nach einer Weile zu sich.«
    »Dann tu, was du kannst, Maenach«, sagte Fidelma. »Schwes ter |224| Sárnat, geh ihm zur Hand«, trug sie der blassen, zitternden Novizin auf, die noch immer unschlüssig draußen stand.
    Sie nahm den Seemann Lorcán am Arm, führte ihn auf den Viereckplatz und wies auf die an den Baum gebundene Gestalt. Er ging
     einen Schritt darauf zu, und schieres Entsetzen malte sich auf seinem Gesicht. »Gütiger Gott, schau auf uns herab!«, sagte
     er langsam und beugte das Knie. »Nun gibt es schon zwei Tote in Selbachs Bruderschaft.«
    »Kennst du den Mann?«, fragte

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