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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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man sein gottlos Wesen nimmer finden …« Es überlief sie kalt, die Verkündigung eines liebevollen Gottes
     war das nicht. Als sie sich weiter umsah, bemerkte sie eine Truhe am Bettende mit einer griechischen Inschrift auf dem Deckel.
    Pathémata mathémata
. Leiden sind Lebenslehren.
    Sie bückte sich und öffnete den Kasten. Der Inhalt setzte sie in Erstaunen: Geißeln, Peitschen und Rohrstöcke. In die Innenseite
     des Deckels waren Wörter eingeritzt, die einen Vers in reinstem Irisch ergaben:
    »Gott, gib mir eine Wand aus Tränen, dahinter meine Sünden zu verstecken, wenn keine Tränen fallen, muss ich unerlöst verrecken.«
    Immer noch sehr betroffen, fragte sie Lorcán: »Weißt du, wer diese Zelle bewohnt hat?«
    »Gewiß«, hieß es sofort. »Selbach hat sie mit seinem
dominus
Spelán geteilt.«
    »Was für ein Mensch war Selbach? War er jemand, der auf Zucht und Ordnung drang, einer, dem es gefiel, harte Strafen auszuteilen?
     Herrschte ein strenges Regiment in dieser Bruderschaft?«
    Lorcán zuckte die Achseln. »Dazu kann ich nichts sagen. Ich kenne die Bruderschaft zu wenig.«
    »Allenthalben finden sich Hinweise auf Schmerzen und Strafen.« |230| Wieder lief es ihr kalt den Rücken herunter. »Ich begreife das einfach nicht.«
    Sie ging zu einem Regal, auf dem verschiedene Steingutbehälter und Flaschen standen, roch daran, stippte mit angefeuchteter
     Fingerspitze in die Töpfe und kostete vorsichtig von den Mixturen. Als Nächstes holte sie aus ihrem
marsupium
den hölzernen Becher hervor, den sie im Bethaus aufgelesen hatte. Er musste erst vor kurzem benutzt worden sein, denn er war
     innen noch feucht. Sie roch daran. Eine merkwürdige Mischung stechender Gerüche stieg ihr in die Nase. Ein weiteres Mal ging
     sie die Töpfe und Gefäße mit den Kräutern durch und erkannte getrocknete Blüten des Rotklees, zerstoßene Blätter der Rosskastanie
     und der Königskerze.
    Derweil trat Lorcán ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. »Spelán hat hier seine Apotheke. Bei einer meiner Fahrten hierher
     hatte ich mir die Hand verletzt. Er hat mir einen Umschlag aus Kräutern gemacht, und das hat geholfen.«
    Fidelma schnaufte unzufrieden und begab sich zu den anderen Zellen, um sie gründlicher in Augenschein zu nehmen. In einer
     oder zweien sah es aus, als hätte man persönliche Sachen und Kleidungsstücke in aller Hast zusammengerafft, doch nichts deutete
     darauf hin, dass Fremde die Bruderschaft überfallen und ausgeraubt hätten.
    Ziemlich ratlos verließ Fidelma die Hütten, dicht hinter ihr Lorcán, der mit sorgenvoller Miene immer wieder zum Himmel blickte.
     Fidelma spürte, dass er sich wegen des heraufziehenden Unwetters Sorgen machte, doch die Klärung der mysteriösen Vorgänge
     erlaubte keinen Aufschub. Man hatte den Abt der Bruderschaft getötet und einen jungen Klosterbruder, hatte den
dominus
bewusstlos geschlagen und hatte zehn weitere Angehörige der Gemeinde verschwinden lassen.
    »Hast du nicht erwähnt, dass die Brüder ein eigenes Boot |231| haben?«, fragte sie unvermittelt. »Ich habe es nicht gesehen, als wir an Land gegangen sind.«
    »Konntest du auch nicht. Sie haben ihr Boot hinter der Landspitze an eine geschützte Stelle gebracht. Da ist ein kurzes, steiniges
     Strandstück, von dem aus man das Boot ins Wasser lassen kann.«
    »Zeig mir, wo das ist«, beharrte Fidelma. »Wir müssen sowieso warten, bis Spelán wieder bei sich ist und wir von ihm erfahren,
     was sich hier abgespielt hat.«
    Widerstrebend und immer wieder besorgt zum Himmel schauend, ging Lorcán den schmalen Weg zum Durchlass an den Klippen hinauf.
     Unterhalb des höchsten Punkts führte er Fidelma auf einem Trampelpfad über den großen Felsbuckel abwärts, der sich vor die
     Landebucht schob.
    Oben auf der Kuppe, von der sich der Pfad zwischen den Granitblöcken hinunterschlängelte, beschlich Fidelma ein ungutes Gefühl.
     Über den ans Ufer brandenden Wogen zogen schwarze Vögel ihre Kreise, als lockte sie etwas unten am Strand.
    Es waren Mantelmöwen. Vor denen musste man sich in Acht nehmen, denn sie waren furchtlose Räuber, die sich selbst auf größere
     Beutetiere stürzten, wenngleich sie auch mit Aas vorliebnahmen. Offensichtlich hatten sie unten am Wassersaum etwas gefunden.
     Selbst die Krähen hielten gebührenden Abstand von ihren Artgenossen. Einige Paare kreisten über dem Schwarm und warteten auf
     ihre Chance.
    Fidelma presste die Lippen zusammen und folgte Lorcán zwischen

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