Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

entfuhr es dem Magier unwillkürlich. “Ich brauche ihn für andere Dinge. Das wahre Handwerk muss erhalten bleiben!“
    “Und ich sage dir, er ist es. Ich gestehe dir zu, dass du richtig gehandelt hast, und auf den Hinweis des Wolfes in der Prophezeiung verzichtet hast. Aber der junge Bohnthal hat ihn gefunden, ihn gepflegt, bis seine Verletzungen verheilt waren und der Welpe ist bei ihm geblieben. Das hat die alte Eiche im Spahnwald berichtet. Akzeptiere die Wahrheit, Magier, oder du wirst alles verlieren, wofür wir seit einer Ewigkeit einstehen.“
    “Ein Tier, Nidar! Der Brunnen zeigte mir, dass ein Tier den Auserwählten begleiten würde. Ob es ein Wolf oder ein Vogel oder ein Fisch sein wird, konnte ich nicht erkennen. Der Auserwählte kann ebenso gut der Magier sein! Noch ist es nicht entschieden.“
    “Doch, das ist es, du alter Narr“, entgegnete die Eberesche ruhig. “Alle anderen Hinweise stimmen überein. Willst du es wieder von vorne beginnen? Die Hinweise über den Drachen im Holz und der Bogen des Jägers. Ich bin noch immer der Ansicht, dass du den Bogen nicht mit hierher hättest nehmen dürfen, um ihn nach deinem Tod zu besitzen. Aber jetzt ist es zu spät. Der Auserwählte wird nicht erwählt von einer höheren Instanz als der eigenen. Er wählt sich sozusagen selbst.“
    „Ja, ja. Das weiß ich.“
    „Still! Unterbrich mich nicht. Der wahre Erwählte stellt sich seiner Bestimmung aus freien Stücken. Jeder, der bisher sich der Prüfung unterzogen hat...“
    „Und gescheitert ist!“
    „... und gescheitert ist“, nahm Nidar die Feststellung auf, „jeder hätte es sein können. Dass du im Ju’Licka-Nor den Erwählten in Begleitung eines Tieres gesehen hast, bedeutet meiner Ansicht nach gar nichts. Und wie du selbst gesagt hast: Die Bilder bieten viel zu viel Raum für Interpretationen. So ist das eben mit Prophezeiungen. Und zuletzt der triftigste Grund, weshalb der junge Magier der falsche Auserwählte ist: Er vollbringt gerade die dritte Tat.“
    „Das wissen wir nicht mit Bestimmtheit.“
    „Weshalb sollte Pretorius uns belügen?“
    Auf diese Frage wusste auch Rodgatt keine Antwort und presste die Lippen fest aufeinander. Pretorius! Was gäbe er darum, diesem Ränkeschmied mit seinen ehemaligen magischen Kräften und Fähigkeiten entgegentreten zu können. “
    „Du siehst also“, nahm Nidar den Faden wieder auf, „deine Wünsche sind, ebenso wie deine Bedenken, ohne Bedeutung. Bis jetzt ist der Tischler das Beste, was wir haben. Die wenigen, die sich vor ihm der Prüfung unterzogen haben, sind elend gescheitert. Es liegt an dir, ihn entsprechend vorzubereiten, damit dies unwürdige Leben ein Ende findet. Immerhin, du hast getan, was du konntest ...“
    “Habe ich das wirklich?“, fragte der Magier. “Damals, als ich jung und voller Ideale war, konnte ich die Vorstellung über den Verlust der Macht und der Magie nicht ertragen. Sie erschien mir als das höchste Gut. Doch wie hätte ich ahnen können, dass die Magie nicht vergeht, sondern von einem einzigen gesammelt wird.“
    “Noch ist Hoffnung, mein Freund!“
    “Schluss, Nidar, Schluss. Seit du ein Baum geworden bist, ist deine Gelassenheit eine unerträgliche Eigenart von dir geworden.“
    “Höre ich Neid aus deiner Stimme, Geist? Ich wollte nicht mit dir tauschen.“
    “Mir gefällt die Bezeichnung Magier besser, auch wenn ich dieser Tage etwas körperlos daherkomme.“
    “Fadenscheinig trifft die Sache eher. Aber so oder so: dieser Zustand wird sich bald ändern.“
    “Ich spüre es auch. Der Augenblick der Entscheidung naht. Und wenn ich den Auserwählten auf seine Aufgabe vorbereitet habe, wenn er in seine Welt zurückgekehrt ist, dann wird sich zeigen, ob unsere Pläne in Stein gemeißelt sind, oder ob ich vergehe.“
    “Du musst nicht gehen, Rodgatt. Deine Verwandlung ist an keine Zeit gebunden. Bleibe bei mir und lebe ewig, so wie ich.“
    “Was sagst du da? Wenn der Auserwählte nicht seiner Bestimmung folgt, wird Pretorius mir auch dieses Leben nehmen, weil er keine Verwendung dafür hat. Ich frage mich, ob das nicht für alle besser wäre, mich eingeschlossen. Wie auch immer, Pretorius braucht den Erwählten ebenso wie wir, aber wenn er ihn erst einmal unter seiner Kontrolle hat, dann ist er nicht mehr aufzuhalten.“
    Nidars Stimme erklang und riss den alten Magier aus seinen schmerzlichen Gedanken. „Anstatt vor dich hinzubrüten, solltest du mir lieber erklären, was du tun willst, wenn dein