Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
weiter, immer noch stumm und ohne Melodie, von der Trauer, die ihn begleitete, sang vom tiefen Schmerz und er sang von sich, seiner Verlorenheit und der Hoffnung, die andere in ihm für die eigene Zukunft sahen.
Unter seinen kräftigen Bauernhänden aber formte sich eine Klinge, dunkler als die Nacht. Alep hatte die Form, die Türmer vorgegeben hatte, beibehalten, hatte sie verfeinert und zu einer länglichen aber breiten Waffe mit abgeschrägter Klinge auf der einen Seite und einem runden Aufsatz am unteren Ende geschmiedet. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit er den Schmiedehammer zum ersten mal auf das Werkstück hatte niederfahren lassen. Nur langsam kehrte er aus dem tranceartigen Zustand, in den die Schmiederei ihn versetzt hatte, zurück.
Er war allein. Alep war so in seine Arbeit vertieft gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie Türmer die Schmiede verlassen hatte. Ein Blick durch die noch immer offene Tür zeigte ihm, dass die Abenddämmerung begonnen hatte.
Alep nahm an, dass Türmer in den nächsten Minuten wiederkehren würde. Dort, wo er die Schürze von der Wand geholt hatte, war eine kleine Tür, die zu der Wohnung des Schmieds führte. Er überlegte, ob er dort nachschauen sollte, entschied sich aber dagegen und machte sich daran, seine Arbeit zu vollenden. Er nahm die Klinge an der scharfkantigen Schräge und hielt das Ende mit dem Aufsatz ins Feuer, bis es sich rötete. Er nahm es mit der Zange auf und steckte es auf den Schlagstock. Schnell nahm er den Stab, legte ihn über den Amboss und begann, die Hülse mit kurzen, kräftigen Hammerschlägen festzuklopfen. Nach wenigen Minuten hielt er das fertige Werkstück hoch und betrachtete es kritisch. Dann zog sich ein zufriedenes Lächeln über sein Gesicht.
Das war eine gute Arbeit. Die beste, die er je zuwege gebracht hatte. Er legte den Stab auf den Amboss und verließ die Schmiede. Die kleine Gasse war leer. Seltsam. Immer noch allein in der Schmiede ging Alep hinüber zu Wiggets Schlafplatz und weckte den Drachen: „Wigget?“
„Hmm?“, schlaftrunken öffnete der Drache eines seiner schrägstehenden Augen. Dann erkannte er Alep, reckte sich wie eine Katze und sagte „Oh, Magier, hallo, habe ich etwa den ganzen Nachmittag verschlafen?“
„Ja. Wie machst du das bei all dem Lärm, der hier geherrscht hat?“
Wigget erinnerte sich daran, geträumt zu haben. Das war insofern außergewöhnlich, da er noch nie zuvor geträumt hatte - in beiden Leben nicht. Es war kein echter Traum gewesen, sofern Wigget überhaupt in der Lage war, das zu beurteilen. Er hatte Bilder gesehen aus längst vergangenen Tagen, Bilder aus Gesang, auch wenn das gar nicht möglich war, von Drachen die hoch flogen und ihren Kindern beibrachten, wie man jagt und wo man die warmen Aufwinde findet, die selbst den größten Drachen mühelos tragen. Und immer wieder war da Gesang. Wigget betrachtete Alep forschend. „Habt Ihr gesungen, Magier?“
„Schon möglich.“
„Das erklärt einiges. Ich habe mich an Dinge erinnert, die zu schön sind, um sie der Vergessenheit preiszugeben. Dafür danke ich euch.“
„Geht es dir gut?“
„Ja!“
„Ich habe dich aufgeweckt, weil ich dich fragen wollte, ob du weißt, wo der Schmied geblieben ist.“
„Nein. Ich schlafe in der Regel mit geschlossenen Augen, da ist es schwer, etwas zu erkennen, aber vielleicht kann ich Euch stattdessen ein Gedicht aufsagen. Das vertreibt sicher Euren verkniffenen Gesichtsausdruck. Was ist mit Euch? Ich wähnte Euch bei erquicklicher Arbeit, die Eure Sorgen vertreibt?“
„Die Klinge für den Eschenstock ist fertig. Komm. Sieh es dir an.“
Wigget, zu faul, selbst zu laufen oder gar zu fliegen, sagte: „Bleibt einen Augenblick stehen, Magier“, und hopste auf Aleps Schulter.
„Ich möchte zu gern wissen, wo Türmer abgeblieben ist“, murmelte Alep.
„Ich kenne die Antwort“, erklang plötzlich eine bekannte Stimme aus der noch immer offenen Schmiedetür. Pretorius ging zum Amboss, nahm Aleps Eschenstab auf und betrachtete ihn. „Eine gute Arbeit“, aufrichtige Bewunderung schwang in Pretorius Stimme mit. „Etwas ähnliches wäre ich nicht herzustellen im Stande gewesen. Du besitzt viele Begabungen, aber das wird dich nun auch nicht mehr retten.“ Alep bemerkte zu spät, dass Pretorius einen Zauber sprach. Die Magie traf ihn wie ein Schlag, bedeckte ihn, hüllte ihn ein und raubte ihm augenblicklich alle Bewegungsfreiheit. Unfähig, sich zu rühren stand er
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