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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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Zuletzt umstanden noch vier Kinder den Baum. Kwin, zwei weitere Jungen des Dorfes und die Tochter des Fischers.
    Es war abzusehen, dass Kwin in kürzester Zeit auch noch seine letzten Mitstreiter verlieren würde. Er sah sich suchend um. Er brauchte Hilfe! Und Hilfe kam. Über den Dorfplatz kam ein dunkelhaariger Junge, der ein oder zwei Jahre jünger als Kwin sein mochte, mit ernstem Blick auf ihn zu. Er trat unter den weit ausladenden Ästen hindurch, löste Kwins Hand von der eines anderen Jungen, stellte sich zwischen beide und verschränkte seine Hände mit denen seiner Nachbarn.
    Ungläubig sah Kwin ihn an.
    „Wer bist du?“
    „Alep Dieron Elders.“
    „Ich habe dich hier noch nie gesehen.“
    „Nein.“ Alep bohrte seinen Blick in den des Bürgermeisters, als wollte er ihn auf diese Art zwingen, sein Vorhaben aufzugeben.
    „Wo kommst du her?“, fragte Kwin.
    „Vom Eldershof.“
    Kwin dachte einen Moment angestrengt nach. „Du redest nicht gern, oder“, fragte er dann.
    „Nicht, wenn ich aufpassen muss.“
    „Oh, klar, das ist was anderes.“
    Drohend näherte sich Wundel den Kindern und blieb überrascht stehen, als ihn die kräftige Stimme von Frau Wundel aus dem Küchenfenster über dem Rathaus erreichte.
    „Wenn du den Kindern auch nur ein Haar krümmst, wirst du es bereuen, Wittlop, das schwöre ich beim Andenken meiner Mutter.“ Ihre Stimme war laut genug, dass jeder im Dorf sie hören konnte. Wundel bekam rote Ohren und betrachtete missmutig den Neuankömmling. Er hatte den restlichen Kindern, vor allem aber Kwin, spürbar neue Zuversicht gegeben. Mit erhobenen Köpfen standen sie da und schauten ihn böse an. Allen voran dieser Eldersjunge. Wo war der nur so plötzlich hergekommen, fragte er sich.
    Großvater Elders stand noch immer an der gleichen Stelle. Fasziniert hatte er seinem Enkel zugesehen und er dachte gar nicht daran, sich einzumischen. Sollte Wundel selber sehen, wie er damit fertig wurde.
    Wittlop Wundel stand mit hängenden Schultern den Kindern gegenüber. Den Blick starr auf Alep gerichtet. Seine Wut war vergangen, und die Anspannung der letzten Minuten hatte deutlich nachgelassen. Sein Ansinnen, die alte Kastanie zu fällen, die nun schon seit Generationen hier stand, erschien ihm mit einem Mal unsinnig. Die Drohung seiner Frau tat ihr übriges. Nachdenklich betrachtete Wundel die Kinder. In ihren Gesichtern sah er nur einen einzigen Gedanken: den Baum retten - vor ihm und seiner Axt. Mit Ausnahme dieses Eldersjungen: irgend etwas Seltsames ging von ihm aus. Wundel hätte es nicht in Worte fassen können, aber es war da: Eine Kraft, die über das hinaus ging, was ein Junge seines Alters für gewöhnlich aufzubieten hatte. Vergeblich suchte er nach Furcht oder Unsicherheit in seinen Augen, seiner Haltung und fand einzig einen unbeugsamen Willen. Ihn schauderte bei seinem Anblick.
    Die Ablehnung in den schmalen Kindergesichtern, die Wundel wie eine Welle entgegen brandete, verletzte ihn tief. Er liebte Kinder und ganz besonders seinen Kwin. Es blieb ihm nur ein Ausweg, wollte er die Achtung seines Sohnes wiedererlangen. Auf dem Dorfplatz war es ganz still geworden, aber Wundel hatte sich schon entschieden. Sollten doch alle denken, was sie wollten. Er schulterte die Axt, drehte sich um und schritt, so würdevoll wie es ihm möglich war, zurück zum Rathaus. Als er darin verschwunden war, sank Alep entkräftet auf seine Knie.
    Kwin sah ihn an und fragte: „Was tust du da?“
    Alep zuckte die Schultern. „Ich ruhe mich aus.“
    Tags darauf befestigte Wundel ein handgemaltes Schild am Baum, darauf stand:
     
    Möge dieser Baum als Zeichen
    für Mut und Tapferkeit
    solange stehen wie Bitterquell
     
    So mancher Bitterqueller Bürger hielt Wundels Reaktion für überzogen, andere nannten ihn einfach einen Kindskopf, alle übrigen vertraten einhellig die Ansicht, dass er sie schlicht nicht mehr alle beieinander hatte. Aber mit dem Aufstellen des Schildes war es Wundel gelungen, die Achtung seines Sohnes Kwin zurückzuerlangen und seine Liebe. Nach und nach verbreitete sich unter den Flachländern die Überzeugung, dass für ein öffentliches Eingeständnis eines begangenen Fehlers wahre Größe gehörte. Vor allem Meister Borken wies mehrmals deutlich darauf hin, wenn der Spott überhand nahm, dass er Wundel für diese Tat hochschätzte. Und da seine Stimme Gewicht hatte, sahen die Bitterqueller ihren Bürgermeister mit anderen Augen, empfanden mit der Zeit sogar neuen Stolz

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