Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
für ihn, und nannten ihn an manchen Tagen sogar den ‘Weisen Wittlop’. Wundel trug die Achtung, die man ihm neuerlich entgegenbrachte, mit feierlicher Würde und offensichtlichem Vergnügen. Er lächelte beständig, wenn er mit erhobenem Kinn und eingezogenem Bauch durchs Dorf lief, so, als hätte er ein Geheimnis entdeckt.
Kwin hingegen hatte einen alten Freund, die Kastanie, behalten und einen neuen Freund gefunden: Alep!
Als Kwin älter wurde, nahm er, auf der Suche nach einem künftigen Beruf, kleine Gelegenheitsarbeiten bei den Bitterqueller Handwerksmeistern und den Bauern der Umgebung an. Er verbrachte ein ganzes Jahr bei den Elders und versuchte sich als Bauer. Er lebte und arbeitete mit ihnen und wurde bald ein Mitglied der Familie. Aber die Arbeit eines Landmanns sagte ihm nicht zu.
Kurze Zeit später kam der alte Handemann zu den Elders heraus und wollte mit Kwin sprechen. Der Dorfschmied bot Kwin einen Platz in seiner Schmiede an, wo er ihm zur Hand gehen sollte - und vielleicht, wenn er sich als fleißig und geschickt erwies, auch das Schmiedehandwerk erlernen könnte. Kwin willigte freudig ein und verließ die Elders schweren Herzens.
Da er großes handwerkliches Geschick in Handemanns Schmiede bewies und die schweren Arbeiten ebenso verrichtete wie die einfachen, willigte der Schmied ein, ihn das Schmiedehandwerk zu lehren. Doch schon bald wendete sich Kwins Glück erneut. Zwar war Handemann froh, einen tüchtigen Gehilfen zu haben, der ihm die schweren Arbeiten abnahm, aber er hatte schon bald nach Kwins Eintritt in die Schmiede erkannt, dass in dem Jungen ein weit besserer Handwerker steckte, als er es war. Nach wenigen Monaten kam Kwins Ausbildung zum Stillstand. Wenn er seinen Meister darauf ansprach, bekam er immer die gleiche Antwort: „Hab Geduld. Du bist noch nicht soweit.“ Der alte Handemann war beileibe kein böser Mensch, aber er ahnte wohl, dass seine Zeit vorbei sein würde, wenn Kwin erst ein fertiger Schmied geworden wäre. So kam es, dass der kluge Kwin Bohnthal des Schmiedehandwerks bald überdrüssig wurde. Wohl sah er täglich, wie sich unter den kräftigen Händen seines Meisters die schönsten Werkstücke formten; aber sein Platz war nicht hinter, sondern neben dem Amboss. Das war eine schwere Zeit für Kwin. Nicht die erste in seinem Leben, aber ebenso aufreibend und kraftraubend wie all die anderen zuvor. Denn Geduld hatte der junge Kwin nicht und warten war ihm ein Gräuel.
Als dann im darauffolgenden Jahr der Tischlermeister Borken an Kwin herantrat und ihn aufforderte, die Schmiede zu verlassen und bei ihm das Holzhandwerk zu erlernen, willigte Kwin ein. Alles war ihm lieber, als auch weiterhin die Arbeiten eines Handlangers zu verrichten. Er wollte mehr sein als ein Gehilfe.
Meister Borken war der einzige Bitterqueller, der nicht im Flachen Land geboren und aufgewachsen war. Ein Umstand, der nicht unbedingt für ihn sprach, wie die Dörfler sagten. Trotzdem waren sie froh, mit Borken einen Tischlermeister in ihrer Mitte zu haben, der auch Zimmermannsarbeiten übernahm. Niemand wusste genau, woher er gekommen war, aber es gab natürlich viele Gerüchte um ihn. So munkelte man, dass er im Streit einen Soldaten der Stadtwache von Hornburg erschlagen hatte und noch in der gleichen Nacht geflohen war. Borken indes hüllte sich in Schweigen, was seine Vergangenheit betraf.
Nach ein paar Jahren heiratete er die Schwester des Sattlers, was seinem Ansehen zugute kam und das Vertrauen der Bitterqueller in seine Person stärkte. Seine Arbeit wurde allseits geschätzt, und er war nun überall willkommen. Aber die Bitterqueller merkten schnell, dass er äußerst seltsame Ansichten über den Umgang mit Wäldern und Bäumen vertrat. Aus dem zurückhaltenden, stets freundlichen Borken wurde dann ein engstirniger, nahezu verbissener Mann, der keine andere Ansicht gelten lassen wollte. Auch sprach er über Magie und Zauberei, als wäre er selbst berufen. Aber das war noch lange nicht alles; wirklich merkwürdig waren Borkens eigene Möbel und Gebrauchsgegenstände, die er für sich selbst anfertigte. Nur wenige Bitterqueller hatten in den langen Jahren, seit Borken sich im Flachen Land niedergelassen hatte, sein Haus betreten dürfen. Aber die wenigen stimmten darin überein, dass es eine Wärme ganz besonderer Art ausstrahlte. Seine Stühle waren die gemütlichsten, auf denen sie je gesessen hatten und der große Buchentisch lud förmlich zum Verweilen und zum Ausruhen ein. Die
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