Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
Drachenschuppe auf das Nussbaumholz und ritzte mit einem Messer zweimal die Kontur der Schuppe hinein. Dann spannte er das Brett in die Werkbank ein und begann, die eingezeichneten Schuppen vorsichtig und mit großem Geschick herauszuarbeiten.
“Wo ist eigentlich Wigget?“, fragte Kwin.
„Fort. Er sitzt wahrscheinlich bei N’Gucha und prahlt mit den Geschichten aus seinem ersten Leben. Er wird sicher bald herkommen. Er lässt mich neuerdings nie lange allein.“
„Schade, dass er nicht da ist“, erwiderte Kwin, „das hier würde ihm sicher gefallen.“
Kwins gute Laune war ansteckend.
„Und was ist das?“, fragte Alep, der immer noch nicht recht verstand, was der Tischler vorhatte.
„Du wirst schon sehen.“
Bald darauf lagen die beiden Holzschuppen nebeneinander. Alep erschienen sie dünn und zerbrechlich. Der Tischler befestige die Schuppenflügel am Drachenkörper, trat zurück und musterte sein Werk kritisch. „Ist sie nicht wunderschön?“, fragte er dann.
„Sie? “, fragte Alep.
„Ja, die Drachin. Erkennst du nicht ihre weiblichen Züge?“
„Doch, ich schon“, erwiderte Alep und dachte dabei an Wigget. „Ein wahres Schmuckstück. Und die Flügel sind hübscher noch als das Original“, sagte Alep.
„Danke. Und jetzt, Alep, belebe die Drachin.“
Alep runzelte die Stirn. „Ja, das ist schon möglich, glaube ich“, sagte er nach einem Augenblick. „Aber wie soll sie heißen? Ich brauche einen Namen.“
Kwin zupfte sich nachdenklich am Ohr. Dann sah er Alep lächelnd an. „Da du sie schon als Schmuckstück bezeichnet hast, warum nennen wir sie nicht Juwel?“
„Wenn das dein Wunsch ist... “, sagte Alep. Er nahm die Figur vorsichtig in die eine, seine Drachenschuppe in die andere Hand und hockte sich auf den Boden.
Alep betrachtete die Figur lange, die warm und schwer in seiner Hand lag, drehte sie hin und her und erfreute sich an ihrer Schönheit. Verglichen mit Kwins Kunst, erachtete er seine eigenen Fähigkeiten als bescheiden, aber Alep wollte sich bemühen, seinen Freund nicht zu enttäuschen. Er schloss die Augen, atmete bedächtig aus und sank tief hinab in die Erde, dem Ursprung allen Lebens.
Er spürte die dort eingeschlossenen Kräfte kaum, und erst, als er die Schuppe zu Hilfe nahm, erreichte er sie. Alep führte die geheimnisvollen Energien durch die Drachenschuppe und von dort direkt ins Herz der Holzfigur. Noch wirkte die Magie ungezügelt und ziellos und Alep musste sich beeilen, passende Verse zu finden, bevor sie außer Kontrolle geriet. Schließlich sagte er:
„Tief im Holz ruht edles Leben.
Freigesetzt durch Meisterhand,
vereint im kreativen Streben,
ein rotes Herz, Juwel genannt,
die Kraft von Holz und Zauberei.
Und fliegt hinauf und ist jetzt frei!“
Alep öffnete die Augen. Die Figur stand noch immer auf seiner Hand, wurde aber zusehends schwerer. Er konnte dabei zusehen, wie sie sich veränderte. Der Körper dehnte sich, wuchs in die Länge und in die Höhe. Dann begannen die Flügel unmerklich zu zucken, wurden durchscheinend und dann tiefschwarz. Die Farbe Juwels veränderte sich, der Körper wurde dunkler, bis sich schließlich schwarze Drachenhaut von der Schnauze bis zur Schwanzspitze zog. Zähne bildeten sich und Krallen an den Tatzen wurden ausgefahren. Lider hoben sich und gaben den Blick frei in zwei violette Augen, die strahlten, als wären sie Sterne.
Dann war die Verwandlung abgeschlossen und auf Aleps Schoß räkelte sich kurz darauf ein weiblicher Drache, etwas kleiner als Wigget aber ungleich hübscher als dieser. Alep hatte seinen Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als Wiggets Stimme erklang: Öffnet die Tür Magier, schnell! Ich bin zu Euch unterwegs! Euer Unterricht hat gerade begonnen.
„Oh, oh“, sagte Alep, nahm Juwel auf und setzte sie auf der Werkbank ab. Er lief zur Tür und konnte sie gerade noch rechtzeitig öffnen, bevor Wigget dagegen geprallt wäre.
Das war knapp, Magier. Ihr seid schnell. Schneller als ...
Wigget war inzwischen bei der Werkbank angelangt und hatte Juwel entdeckt. Er bremste seinen Flug abrupt ab. „Holla, was ist denn das?“, fragte er überrascht, „die sieht ja richtig lebendig aus. Was habt Ihr mit der Figur gemacht, Tischler?“
Da hörten sie zum ersten Mal die Stimme der Drachin und alle waren hingerissen, den sie klang lieblich und fein. „Er hat mir Flügel gegeben“, hauchte Juwel. „Und der andere hat mich ins Leben gerufen. Was ist ein Tischler?“, fragte sie
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