Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
kein Ort für ihn war, an dem er leben wollte und konnte. Vielleicht gab es diesen Ort auch nur in seiner Vorstellung und vielleicht musste er erst durch Burnyk reisen, musste erst alles sehen, um sich dann entscheiden zu können. Außerdem gab es da ja auch noch Heetland. Alep erinnerte sich an die schwelgenden Blicke und schwärmerischen Worte, mit denen Taukon seine Heimat beschrieben hatte. Doch noch war es nicht soweit, persönliche Entscheidungen zu treffen. Seine Königin hatte ihn gebeten, solange zu bleiben, bis sie gekrönt worden war. Also blieb er.
Zwei Wochen vor dem festgesetzten Krönungstermin erreichten die ersten Gäste die Insel. Alep kannte nur die wenigsten, obwohl er wie viele andere zum Hafen gekommen war, um die Ankommenden zu begrüßen. Er machte sich bald wieder davon.
König Mall aus Heetland traf einen Tag später mit großem Gefolge ein. Alep ging auch ihm aus dem Weg. Dobla berichtete Alep, dass Tallis Lomen gleichzeitig mit Thedera und einem Dutzend ihrer Hajadaskrieger eingetroffen wäre. Adengard und Vertreter seines Volkes hätten inzwischen ihren König aus den Rotfelsbergen begrüßt. Rendon betrank sich nicht mehr so oft, sondern unterstützte seine Schwester wo er nur konnte. Alep hörte all diese Neuigkeiten mit stiller Genugtuung. Alles richtete sich wieder und das Leben wurde leichter. Schließlich forderte Yanea höchstpersönlich Alep auf, am gesellschaftlichen Leben des Hofes teilzunehmen, aber Alep schüttelte nur stumm den Kopf.
Jeden Tag trafen nun Schiffe mit Ehrengästen ein. Acht Tage vor der Krönung hallte ein Ruf durch die Stadt: Der Auserwählte kehrt zurück! Kwin Bohnthal ist wieder da!
Alep eilte zum Hafen, kam aber zu spät und musste sich mit einem Platz weit hinten begnügen. Er staunte, als er Meister Borken erkannte, der das Schiff verließ. Ihm folgte eine junge Frau, die ein Pferd am Zügel vom Schiff führte und ihren Blick über die Menge schweifen ließ. Alep erkannte das Pferd, Dohle, nicht aber die Frau, und fragte sich, wer sie wohl sein könnte.
Alep hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als es ihn endlich traf wie ein Schlag! Er sprang so hoch er konnte und über alle Köpfe hinweg brüllte er ihren Namen: „RINA!“ Rücksichtslos bahnte er sich einen Weg durch die dicht stehenden Leiber. Einer erkannte ihn, nannte seinen Namen und wie durch Zauberei öffnete sich eine schmale Gasse vor ihm, die er ungehindert entlang stürmen konnte.
Kwin machte Rina auf Alep aufmerksam und das Mädchen ließ die Zügel fahren und rannte Alep entgegen. Mit Tränen in den Augen umfing Alep seine Schwester, hob sie hoch, wirbelte sie herum und drückte sie an seine Brust, als wollte er sie nie wieder loslassen. Er sah ihr in die Augen und lachte froh, als er ihren verschmitzten Augenausdruck sah. Dann lachte auch sie vor Freude, legte ihre Arme um seinen Hals und bedeckte seine Wange mit feuchten Küssen.
„Wie groß du geworden bist“, staunte Alep.
„Pffft. Das ist doch keine Leistung. Das geht von ganz allein.“ Prüfend musterte sie ihn. „Dir geht es aber nicht gut. Ein Glück, dass ich gekommen bin. Großmutter lässt dir bestellen, dass du bald nach Hause kommen sollst.“
Alep setzte seine Schwester wieder ab. „Komm mit. Ich zeige dir die Stadt.“
Als Alep mit Rina an der Hand durch Hornburg ging, ein stolzes und frohes Lächeln im Gesicht, da endlich erkannte er, wofür er all den Tod, das Blut und die Verantwortung für die Erfüllung der Prophezeiung auf sich genommen hatte. Für die Lebenden. Für Menschen wie Rina und Lisett, Ledus und Kwin. Der Fels, der wochenlang auf seinen Schultern gelegen hatte, den hatte Rina ihm mit einem einzigen Lachen genommen. Alep fühlte sich seit einer Ewigkeit wieder wohl. Nun konnte er sich endlich von den Toten verabschieden. Sein Leben lag vor ihm und er wollte es genießen.
Der Tag der Krönung begann mit strahlendem Sonnenschein. Alep war schon früh auf den Beinen. Als er mit Rina den Palast verlassen wollte, trat N’Gucha ihm in den Weg. „Ich sehe, es geht dir besser, Magier. Deine Schwester hat ein Wunder vollbracht, zu dem wohl niemand außer ihr fähig gewesen wäre.“
Alep zuckte mit den Schultern. „Sie war immer der Sonnenschein der Familie.“
„Was soll nun werden, wenn dieser Tag zu Ende ist, Magier?“
Wieder hob Alep die Schultern. „Das wird sich entscheiden. Heute wollen wir feiern.“
„Alep“, rief Rina und lief auf ihren Bruder zu. „Du hast
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