Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
leichtes sein, dein Amt auszuüben und zugleich dort zu leben, wo du es wünscht. Zum Beispiel im Lindental, das keine Tagesreise von hier entfernt liegt.“
Kwins Miene erhellte sich mit jedem Wort seines Freundes. „Danke, Alep, danke.“
Alep betrachtete seine Hände, dann sagte er. „Erinnerst du dich an unseren Abschied in den Bergen.“ Alep wartete die Antwort seines Freundes gar nicht ab, sondern sprach gleich weiter. „Ich bin nach Lindenbrunn gereist und habe mir das Tal angesehen. Es ist ein schöner Ort zum Leben. Wenn dein Angebot noch steht...“
„Ich habe gehofft, dass du einwilligst“, sagte Kwin zufrieden. „Ich fühle mich wohl, wenn ich dich in der Nähe weiß. Dann ist es fast so, wie es früher immer war. Und jetzt muss ich los. Eine Reise ins Talikon ist genau das Richtige, um auf andere Gedanken zu kommen.“
„Ich will nach Lindenbrunn reisen und Tallis Lomen bitten, die Bauarbeiten an meinem Haus auszuführen. Ich weiß auch schon einen hübschen Platz.“
„Ich bin mit allem einverstanden, aber dein Haus werde ich bauen, wenn ich zurück bin.“
Kwin ging ins Talikon und Lisett begleitete ihn. Von Eichenherz, dem Silberahorn, erhielt Kwin, was er wünschte. Auch von Nidar und Rodgatt und vielen anderen Bäumen bekam er Geschenke, die er zurück brachte und auf dem Königshügel anpflanzte. Dann endlich bat er Lisett um ihre Hand. Sie willigte ein. Kwin heiratete Lisett kurz vor der Jahreswende. Es war eine schlichte Zeremonie, zu der nur wenig Gäste geladen waren.
Noch vor dem Frühjahr reiste Kwin ins Lindental und gemeinsam mit einigen ausgesuchten Handwerkern der Stadt baute er zwei prächtige Häuser, eines an jedem Talende. Obwohl sie allein aus Holz errichtet worden waren, ähnelten sie eher Palästen. Im Mai kehrte er nach Hornburg zurück. Lisett begrüßte ihren Kwin stürmisch und führte ihn Tags darauf zu Alep, der seinen Freund ungeduldig erwartete.
„Kwin, ich werde in vier Tagen heiraten und möchte dich als Ehrenzeugen an meiner Seite haben.“
„Du heiratest?“, fragte Kwin verblüfft. „Du? Wen?“
„N’Gucha“, war die schlichte Antwort. „Wirst du mich begleiten?“
Kwin stand auf und verbeugte sich leicht. Lachend sagte er: „Es ist mir eine Ehre.“ Erst jetzt fiel ihm auf, dass etwas fehlte. „Wo sind die Drachen?“
„Sie sind fort, schon seit einiger Zeit. Niemand weiß, wo sie hingegangen sind. Wigget ging ohne ein Abschiedswort und ich kann ihn nicht erreichen. Er antwortet nicht. Ich glaube, er wird nicht damit fertig, dass ich ihm seine alte Größe nicht wiedergeben kann, obwohl ich es versprochen habe.“
„Aber er muss doch einsehen, dass es selbst deine Fähigkeiten übersteigt.“
„Da wäre ich mir nicht so sicher. Er wünscht sich nichts mehr als das und eben das kann ich ihm nicht geben.“
„Hab Geduld“, sagte Kwin tröstend. „Euch beide verbindet eine tiefe Freundschaft. Komm, ich habe Zeichnungen unserer Häuser mitgebracht. Du wirst begeistert sein.“
Alep heiratete N’Gucha an einem sonnigen Tag im Juni. Die Kriegerin strahlte und Alep fühlte zum ersten Mal im Leben so etwas wie Glück.
Wenige Tage später nahmen beide Abschied von Hornburg und reisten nach Lindenbrunn.
In Lindenbrunn erstanden sie Vorräte und einen Wagen, der sie sicher ins Lindental brachte. Kwin und Lisett warteten schon auf sie. Der Tischler führte das jungvermählte Paar stolz durch ihr neues Heim und zeigte ihnen, welche Eigenschaften es besaß.
In der Mitte des Tales und über den Fluss hinweg hatte Kwin seine Sämlinge gepflanzt. Hier gab es viel Wasser und der Boden war gut. Gleich neben Aleps neuem Heim hatte der Tischler eine belebte Eiche gesetzt und augenzwinkernd erklärt: „Ein Versteck für deine Kinder, wenn sie eines Tages vor deinem Zorn flüchten möchten, so wie du es in Kindertagen oft getan hast.“
„Gibt es eine Geschichte, die ich noch nicht kenne?“, fragte N’Gucha.
Kwin lachte. „Hat er dir nie davon erzählt? Dann wird es aber Zeit.“ Kwin nahm N’Gucha am Arm und spazierte mit ihr zum Fluss. Alep hörte Kwins Worte, die leiser wurden, je weiter sie sich entfernten: „Als Alep ein Kind war, nicht älter als zehn, elf Jahre, versteckte er sich vor seinem Vater im Eichbaum, der gleich neben der alten Scheune stand. Ich glaube, der Streit begann mit ein paar Federn, die Alep für einen Pfeil dem besten Hahn seines Vaters ...“
Alep und N’Gucha richteten sich in ihrer neuen Heim ein.
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