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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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kramte in einer der Schubladen und kam mit einem gefalteten Papier wieder zurück. „Das soll ich dir geben. Von ihr.“
    Kwin nahm es wie eine Kostbarkeit entgegen. Außen stand sein Name. Behutsam öffnete er das Blatt und betrachtete ihre geschwungene Handschrift. Er las:
    Mein schöner Tischler. Ich habe ein Jahr Zeit, dich zu vergessen und weiß doch, dass es mir nicht gelingen wird. Baumbehüter, du hast mein Herz berührt .
    Frau Wundel rutschte unruhig hin und und her. „Was steht denn drin?“, wollte sie wissen.
    Kwin reichte ihr das Blatt mit einem Lächeln. „Lies selbst.“
    „Lies laut!“, verlange der alte Wundel.
    Frau Wundel las die Nachricht ein zweites Mal. Kwin war noch immer ganz ergriffen und noch ehe er sich den einen oder anderen Gedanken machen konnte, erklärte Wundel: „Es war aber nicht recht von dir, eine ganze Nacht bei ihr zu liegen, ohne anderntags bei Horik um ihre Hand anzuhalten. Jeder ehrenvolle Mann hätte so gehandelt. Schließlich bist du der Sohn des Bürgermeisters und somit zur Ehre verpflichtet“, Wundel funkelte seinen Ziehsohn an.
    „Was? Ich habe nicht ... Was denkt ihr eigentlich?“
    „Leugne es nicht, Junge. Sie hat uns alles berichtet. Von dem Abendessen am Nachmittag, den vielen Geschichten und Liedern, dem Wein und der Schlafstatt unter ihrem Wagen.“ Dann nickte Wundel gewichtig und sagte: „Wir wissen es.“
    „Wer noch, außer euch?“, fragte Kwin argwöhnisch. „Und vor allen Dingen: Was? Es ist doch nichts passiert!“
    „Nun“, begann Frau Wundel vorsichtig. „Ein oder zwei Nachbarinnen habe ich wohl davon erzählt. Nicht ausführlich natürlich. Mehr so nebenbei.“
    „Wunderbar“, stöhnte Kwin. „Jetzt weiß es das ganze Dorf. Und es stimmt noch nicht einmal!“
    Ein unangenehmes Schweigen machte sich breit. Um es zu vertreiben, bedankte sich Kwin für das köstliche Essen und überreichte jedem der beiden lieben Alten eine seiner geschnitzten Figuren: eine Katze für Mutter Wundel und einen Fuchs für seinen Vater. In seinem Rucksack lagen noch einige weitere: da war ein Hahn für Velde Elders, ein Drache für Alep und ein Hase für die kleine Rina. Für Bak hatte er einen Wolf, der Twist verblüffend ähnlich sah.
    Der kleine Holzdrache war etwas besonderes. Er war größer als die anderen Figuren und als einziger aus Ahornholz gefertigt, jenem Holz, das den Lebenden Schutz gewährte. Wenn er ihn in die Hand nahm, fühlte er seine Wärme. Das Holz lebte. Die Figur steckte voller Kraft und Magie, ohne dass Kwin sich erklären konnte, wie das möglich war. Aber der kleine Drache aus Ahornholz fühlte sich gut an, und so machte Kwin sich weiter keine Gedanken darüber, welche Eigenschaften er dem Holz bei der Bearbeitung gegeben hatte. Trotzdem wollte er Meister Borken danach fragen.
    Als Kwin die Tischlerwerkstatt betrat, arbeitete Borken gerade an einer Armlehne. Die Begrüßung war kurz und kühl.
    „Du bist älter geworden; dünner auch, wie mir scheint. Und du kommst nicht allein zurück, obwohl du allein aufgebrochen bist.“ Damit legte Borken die halbfertige Armlehne aus der Hand und trat nahe an Twist heran. Vorsichtig streckte er seine Hand aus und als der Hund weder knurrte noch nach ihm schnappte, kraulte er ihn zwischen den Ohren. „Ein schönes Tier. Sieht ein bisschen aus wie ein Wolf, oder?“
    „Ja. Aber es ist ein Hund, glaube ich.“
    Borken sah Kwin ernst an, der junge Mann erwiderte den Blick.
    „Wann wirst du heiraten?“
    „Gar nicht“, erklärte Kwin energisch. Er konnte seine Überraschung aber doch nicht verbergen. Jeder schien bereits davon zu wissen. „Das Ganze ist ein unglaubliches Missverständnis.“ Schnell klärte Kwin seinen Meister darüber auf, was wirklich auf den Trollwiesen geschehen war: gar nichts. Borken nickte nur und Kwin fragte sich, ob sein Meister ihm glaubte.
    „Dann sag mir, welche Antworten du aus dem Wald mit zurückbringst, der einen Sommer und einen Herbst lang dein Zuhause gewesen ist?“
    Kwin ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Er hatte viel erlebt und viel erfahren. Doch nichts davon eignete sich als Antwort auf Meister Borkens Frage. Dann öffnete er den Mund und sagte: „Keine Antworten. Nur Fragen bringe ich zurück. Der Wald und seine Bäume sind nicht mehr dasselbe wie noch vor einem Jahr. Ja, ich habe die Sprache der Bäume gelernt, nachdem ich drauf und dran war, alles aufzugeben, wenn Ihr das meint.“ Kwin machte eine Pause, wobei sein Blick zurückkehrte zum

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