Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
kräftigem Tee. Kwin reichte ihm den Stock und wartete. Lange prüfte der Tischlermeister das Werkstück des Jüngeren, wobei er mit der Zungenspitze nach Speiseresten zwischen seinen Zähnen suchte. Dann nickte er anerkennend. Er versicherte Kwin, dass dieser Stab jedem Schwert widerstehen werde und forderte ihn auf, das beste Holz für einen Schlagstock zu bestimmen.
Nach einigen Versuchen gelangte Kwin zu der Erkenntnis, dass kein Holz besser zur Herstellung von Schlagstöcken geeignet war als das der Eiche. Abgesehen vom Ahorn. Er liebäugelte oft mit dem etwas helleren Holz des Ahorns, wenn es angeraten schien Eichenholz zu verwenden, auch wenn Ahornholz im Vergleich weicher war. Aber andererseits schien es ihm unmöglich, einen Silberahorn zu fällen. Diese Einstellung machte Kwin nachdenklich und er sprach mit Borken darüber.
„Jeder von uns wenigen, ...“ begann Borken und machte eine kleine Pause. „Jeder, der das wahre Handwerk erlernt und beherrscht, fühlt sich mit einem bestimmen Baum besonders verbunden; mehr als mit allen anderen. Als du vor Jahren die alte Dorfkastanie vor deinem Vater beschützt hast, dachte ich, das sei dein Baum. Dann hast du mir von der Eiche im Spahnwald berichtet und ich habe meine Meinung geändert. Jetzt scheint es, dass eine besondere Beziehungen zwischen dir und dem Silberahorn besteht, aber ich bin mir nicht sicher. Um deine Frage zu beantworten: Es ist dir nicht unmöglich, einen Ahorn zu fällen, aber es ist schwerer als alles, was du je getan hast und je tun wirst. Glaub mir. Es ist entsetzlich. Es wird dir auch nicht oft gelingen. Denn die Schmerzen die du fühlst, wenn dein Baum fällt, sind fast unerträglich. Also wähle gut. Sowohl den Zeitpunkt, als auch den Baum, als auch das Werkstück, das du fertigen willst. Dieses Werkstück wird ein ganz Besonderes sein.“
„Habt Ihr ... .“
„Einmal.“ Ablehnung klang jetzt aus des Tischlers Stimme. „Und ich werde es auch niemals wieder tun.“
Als der Frühling kam, zogen Kwin, Meister Borken und Twist durchs Flache Land und erledigten die Aufträge, die Borken im vergangenen Winter angenommen hatte. Meist waren es einfache Zimmermannsarbeiten oder Reparaturen von alten Möbelstücken, die unter der Last ihrer Jahre unheilverkündend ächzten und knarrten.
Auf einer ihrer Wanderungen zu den Höfen im Flachen Land erreichten sie eines Abends den Eldershof. In Kwins Rucksack lagen neben seinem Werkzeug und verschiedenen Werkstücken seine kleinen geschnitzten Geschenke für die Familie.
Velde Elders hatte auf Wunsch seiner Mutter mit der Fertigung eines Anbaus begonnen, der das Hauptgebäude nach Westen hin vergrößern sollte. Es sollte eine Kräuterküche mit Regalen, Gestellen und vielen Ablagen und Haken zum Trocknen und Aufbewahren von Kräutern, Pflanzen und Wurzeln werden.
Als die Elders mit ihren beiden Gästen beim Abendessen saßen, überreichte Kwin seine Geschenke. Als er Alep den Drachen reichte, runzelte Borken die dunklen Augenbrauen, sagte aber nichts. Die Elders freuten sich sehr über Kwins Aufmerksamkeiten und selbst der streitlustige Bak bedankte sich gleich ein paar Mal für den Wolf aus Holz. Es wurde viel gegessen, getrunken und erzählt. Gegen Mitternacht holte Kwin seine kleine Flöte hervor und gemeinsam mit Alep, der dazu Geige spielte, erklangen lustige und traurige Lieder bis der Hahn der Elders die dritte Morgenstunde ankündigte. „Was findest du nur an diesem Hahn, Vater?“, wollte Bak wissen. „Warum köpfen wir ihn nicht endlich und machen eine gute Suppe aus ihm?“
Erschrocken und um seinen Bruder bangend zuckte Aleps Blick zu Velde hinüber.
Velde sprang auf und beugte sich zu seinem ältesten Sohn herab. Grimmig sah er ihn an. Leise und drohend klang seine tiefe Stimme, als er sagte: „Wage es, Hand an meinen Zuchthahn zu legen.“ Lange funkelte Velde seinen Sohn zornig an, der regungslos und wie erstarrt unter dem Blick seines Vaters dasaß. Dann schlich sich eine Ahnung von Ergebenheit in Veldes Blick und resigniert, ja fast enttäuscht ließ er sich auf seinen Stuhl fallen.
Alep betrachtete mitfühlend seinen Bruder, der noch immer völlig reglos dasaß und seinen Vater mit weit geöffneten Augen vorsichtig ansah. Bak wusste eben nie, wann er zu weit ging, vor allem dann nicht, wenn er etwas getrunken hatte. Alep selbst hatte den Zorn seines Vaters Jahre zuvor gespürt und war deshalb bis zu den Sandhöhlen geflohen. Seither mied er dieses Thema in Veldes
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