Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
„Wir sind schon in Lendorial. Sicher gibt es außer uns noch andere, die diesen Weg zur Hauptstadt wählen. Warten wir hier auf unseren angeblichen Verfolger und fragen, wohin sein Weg ihn führt.“
Alep nickte zustimmend. Sie stiegen von ihren Pferden und führten sie unter eine kahle Erle am Wegesrand. Dann warteten sie. Gegen Mittag war von ihrem Verfolger noch immer nichts zu sehen und Alep sandte Wigget aus, sich unauffällig nach dem Troll umzusehen.
„Der Wald hier behagt mir nicht“, sagte Kwin plötzlich.
Alep ließ das Brot sinken, in das er gerade hatte beißen wollen. „Was stimmt damit nicht?“
Kwin zuckte ratlos die Schulter. „Ich kann es nicht erklären. Aber die Bäume strömen etwas aus, das mir Unbehagen bereitet.“ Kwin drehte den Kopf zur Seite. „Diese Erle hier zum Beispiel, sie ist belebt. So wie die Bäume zu Hause und doch ganz anders.“ Kwin schlug mit der flachen Hand gegen die Rinde. Es gab ein hohles Geräusch. „Das meine ich“, erklärte er nickend. „Das Holz hier ist irgendwie missraten, verkommen.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich kann es auch nicht genau sagen. Aber wir sollten nicht zu lange bleiben und auf gar keinen Fall unser Lager hier aufschlagen.“
Kurz darauf kam Wigget zurückgeflogen. „Weg!“, erklärte der Drache sprachlos, noch ehe er sich auf Aleps Schultern niederließ. „Einfach weg. Als hätte die Erde ihn verschlungen.“
„Falsch“, dröhnte plötzlich eine tiefe Stimme aus der Nähe. „Hier ist der, den ihr sucht.“
„Oh, oh“, meinte Wigget und flog hinauf in die Baumkrone.
Alep und Kwin drehten sich gleichzeitig um und versuchten mit ihren Blicken, das Dunkel des Waldes zu durchdringen. Es krachte mächtig, als sich die große, grünhäutige Gestalt ihren Weg rücksichtslos durch das tiefe Gehölz bahnte. Alep griff nach seinem Eschenstab, bereit, sein Leben und das seiner Gefährten zu verteidigen. Kwin hatte seinen Eibenbogen vom Sattel genommen und wartete mit eingelegtem Pfeil.
Die Gestalt trat ins Licht und betrachtete die Gefährten mit erwartungsvollem Blick. Dann sagte das Wesen mit einer Stimme, die so klang, als würden Kiesel zwischen zwei Mühlsteinen zerrieben: „Euer Späher vermutete mich in der falschen Richtung.“ Ein breites Grinsen zog sich über das fremde Gesicht. „Ihr seid der auserwählte Tiefländer in Begleitung von Freund, Drache und Hund.“
Das klang nicht wie eine Frage, dachte Alep. Das war eine Feststellung.
Prüfend ließ der Troll seinen Blick aus kreisrunden Augen über Aleps Gestalt wandern. Dann verzog er säuerlich den Mund. „Unser Schicksal ist gleich. Auch wenn ich es nicht glauben will. Ich bin wie du ein Gezeichneter.“ Der Riese wies mit seinem Daumen auf seine breite Brust. „Ich bin Prak vom roten Stein und als Auserwählter meines Volkes nach Hornburg gesandt, um den Untergang der Magie aufzuhalten.“
„Was?“, entfuhr es Kwin unwillkürlich.
Prak trat nun vollends aus dem Wald heraus unter die Erle. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Drohend wiederholte er: „Ich bin Prak vom roten Stein! Als Auserwählter meines Volkes wurde ich nach Hornburg gesandt. Meine Aufgabe ist es, die Magie zu erhalten. Habt Ihr das verstanden, Tiefländer?“
„Nur zu gut“, sagte Alep. Obwohl er nie zuvor einen Troll gesehen hatte, glaubte er, dass dieses Exemplar da vor ihm nicht älter sein konnte als Kwin oder er selbst. Ganz oben auf seinem Kopf wuchs ein rundes Büschel grauer Haare. Anstelle einer Nase stach ein kurzer Rüssel aus dem Gesicht, der mit zwei kreisrunden Löchern versehen war. An seiner Seite hing eine enorme, eisenbeschlagenen Keule. Seine kräftigen Hände baumelten an langen Armen herab und berührten fast seine Knie. „Aus welchem Grund folgst du uns und schleichst wie ein Dieb durch den Wald? Und woher weißt du von mir?“
Prak wandte sich zu Alep. „Nennt mich nicht Dieb, Tiefländer. Euer Erscheinen wurde mir von der Schamanin geweissagt. Dies, und noch einiges mehr.“
„Einiges mehr heißt wohl: wer wir sind, wir vier aus dem Flachen Land, was?“, fragte Kwin und musterte den riesigen Troll spöttisch.
„Ich stimme zu.“ Prak nickte bestätigend. Sein runder Haarschopf wippte sanft zu seiner Kopfbewegung. „Aber ich habe noch mehr erfahren....“ Missmutig betrachtete er die Waffen der Gefährten. „Eure Zweifel an meiner Aufrichtigkeit sind falsch“, belehrte er sie. „Es ist nicht nötig, mich zu bedrohen. Es bringt keine Ehre,
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