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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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eine Geschichte, und ich tus vielleicht.«
    »Nein, nicht, Mama.«
    »Warum?«
    »Erstens tut sie mir trotz allem leid. Und zweitens sagt mir mein Gefühl, dass es dann noch schlimmer wird. Wenn du sie wegschickst,
     werden sie uns erst recht auf die Pelle rücken.«
    »Hör auf, Schura. Mach keine Panik. Niemand wird uns auf die Pelle rücken«, sagte Julia fest, stand auf und schaltete den
     Wasserkocher ein. »Sobald ich mit Angelas neuem Gesicht fertig bin, ist alles vorbei.«
    »Und wann bist du damit fertig?«, fragte Schura schniefend.
    »Bald, Schura. Schluss jetzt, geh und mach Hausaufgaben.«
    In Wirklichkeit würde sie sich frühestens in einem halben Jahr endgültig von Angela verabschieden können. Aber das musste
     das Kind nicht unbedingt wissen.
    »Ich gehe also morgen wieder in die Schule?«
    »Selbstverständlich. Früh bringe ich dich hin, wie immer, und am Nachmittag holt dich ein Taxi ab. Ich rufe heute Abend die
     Taxifirma an und bitte sie, dir einen Fahrer zu schicken, den du kennst. Erinnerst du dich an den, der dich im Januar gefahren
     hat?«
    »Ja.«
    »Gut. Und wenn du diesen dunkelblauen Ford in der Nähe siehst, dann wendest du dich an den Wachmann eurer Schule und sagst,
     er soll die Miliz anrufen. Na, bist du nun beruhigt?«
    »Ich glaube schon«, seufzte Schura. »Und du?«
    »Ich glaube schon«, erwiderte Julia lächelnd.
    Schura humpelte in ihr Zimmer. Als Julia allein war, schloss sie die Tür und wählte die Nummer von Oberst Raiski, die sie
     inzwischen auswendig wusste.

Neunundzwanzigstes Kapitel
    Die drei Zimmer waren teuer und geschmackvoll eingerichtet, wirkten aber trotzdem irgendwie unbewohnt, unpersönlich. Gerassimows
     Wohnung erinnerte an eine Luxussuite in einem schicken Hotel. Allerdings war Sergej noch nie in einem solchen Hotel gewesen,
     so etwas kannte er nur aus Filmen.
    Möbel, Vorhänge, Geschirr – alles sah aus wie in einem Katalog. Ein riesiger Heimkino-Bildschirm. Küche mit Bartresen zum
     Wohnzimmer. Eigentlich keine richtige Küche, nur eine Ecke mit Kühlschrank, Elektroherd und Hängeschränken für Geschirr.
    Im Arbeitszimmer zwei Computer, in der Ecke ein stationärer auf einem Computertisch und ein kleines flaches Notebook im Regal
     neben dem großen Schreibtisch. Auf der Tischplatte lagen Familienfotos unter Glas.
    Ein dünner junger Leutnant der Grenztruppen, neben ihm, den Kopf auf seiner Schulter, ein Mädchen mit zwei Zöpfen und Pony.
     Ein sehr hübsches Mädchen, das fröhlich lächelt. Der Offizier wirkt streng und angespannt. Darunter steht in Schönschrift:
     »Moskau, 1963. Wir sind noch nicht verheiratet.« Daneben ein Hochzeitsfoto. Das Mädchenträgt auf dem hochtoupierten Haar einen Nylonschleier. Der Leutnant ist in Paradeuniform. »Moskau 1963. Gleich heiraten wir!«
    Dann ein ganz vergilbtes altes Foto des Paars. Das Mädchen hat einen gewaltigen Bauch. Ihr Gesicht ist ernst, die runden Augen
     blicken erschrocken in die Kamera. Darunter die kurze Unterschrift: »Tuwa 1964.« Und das Foto eines molligen glatzköpfigen
     Babys im Strampler. »Tuwa 1964, du mit drei Monaten.«
    Sergej begriff sofort, dass Stanislaws Mutter diese kleine Fotogalerie zusammengestellt hatte. Er selbst war zu so etwas kaum
     fähig.
    Im Schlafzimmer fiel Sergej etwas sehr Seltsames auf. Über das riesige, luxuriöse Bett war ein Wollplaid gebreitet – ein krasser
     Stilbruch. Sergej hob die Decke an – darunter lag die nackte Matratze. In der Mitte gähnte ein Loch, darum herum war der weiße
     Matratzenbezug bräunlich verfärbt. Sergej rannte in den Flur, um die Lupe aus der Jackentasche zu holen, doch in diesem Moment
     klingelte es an der Sprechanlage.
    »Stanislaw, Besuch für Sie – Evelina Derjabina«, sagte der höfliche Bariton des Wachmanns.
    »Ja, danke.« Sergej legte den Hörer auf, kehrte rasch zurück ins Schlafzimmer, deckte das Plaid über die Matratze, ging hinaus
     und schloss fest die Tür. Während er im Flur auf das Klingeln an der Tür wartete, betrachtete er sich im Spiegel, griff nach
     der dunklen Brille, setzte sie auf, wieder ab und wieder auf. Die Klingel trällerte wie eine Nachtigall. Draußen stand eine
     sehr große schlanke Frau im weißen Hosenanzug.
    »Hallo, Gerassimow. Darf ich reinkommen?«
    »Klar, Lina. Hallo.«
    »Warte, mach die Tür nicht zu, meine Tasche ist noch draußen. Nun steh nicht da wie angewurzelt! Ich hab dirÄrmstem was zu essen mitgebracht. Dein Kühlschrank ist doch bestimmt leer. Na,

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