Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
Vom Netzwerk:
sehr auf, ja?«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf und stupste plötzlich die Stirn gegen seine Schulter. »Nein, Gerassimow. Nicht sehr. Aber
     tu das bitte nicht wieder. Ich hasse Männer mit gefärbten Haaren. Du weißt ja, ich hasse dich überhaupt. Du hast mein ganzes
     Leben zerstört. Meine letzten Jahre, die kostbaren fünf Jahre, die ich noch eine Frau bin, habe ich an dich verschwendet.
     Und warum, kannst du mir das sagen? Nun sitz doch nicht da wie ein Ölgötze! Nimm mich in den Arm.«
    Er umfasste vorsichtig ihre schmalen, spitzen Schultern. Sie roch nach Alkohol und süßem, schwerem Parfüm.
    »Ich wurde mehrmals verhört«, summte sie an seiner Schulter, »ich habe nicht gesagt, dass wir bei dem Auto waren und deinen
     toten Chauffeur gesehen haben. Ich habe nicht gesagt, dass ich erst zehn Minuten nach dir gekommen bin. Ich habe erklärt,
     du wärst vor meinen Augen aus dem Auto gestiegen, und da hätte dein Georgi noch gelebt. Dann seien wir zusammen ins Restaurant
     gegangen, und er sei weggefahren. Warum hast du mich aus dem Krankenhaus nicht angerufen? Ich hab mir schreckliche Sorgen
     gemacht. Wir haben doch gar nicht richtig abgesprochen, was wir dem Ermittler erzählen wollen. Und bei der Geschichte mit
     der Pistole hast du dich unmöglich benommen …«
    Das Telefon klingelte, und sie zuckten beide zusammen. In der Wohnung gab es gleich drei Apparate, einer davon stand auf dem
     kleinen Couchtisch. Sergej schob Evelina behutsam von sich und griff nach dem Hörer.
    »Stanislaw?«, fragte eine tiefe Männerstimme.
    »Ja, bitte.«
    »Wie geht es Ihnen?«
    »Danke. Noch nicht besonders … Entschuldigung, mit wem spreche ich?«
    Es entstand eine Pause, und Sergej begriff, dass er den Mann an der Stimme hätte erkennen müssen.
    »Hier ist Pleschakow«, sagte die Stimme am anderen Ende nach einem Räuspern.
    »Guten Tag, Jegor. Ich habe Sie nicht erkannt. Meine Ohren sind noch immer ein bisschen verstopft.«
    »Aber sprechen können Sie?«
    »Ja, sprechen kann ich. Bloß mit dem Denken haperts noch.«
    »Entschuldigen Sie die Störung, aber es ist dringend. Wir müssen uns treffen. Ich komme heute zu Ihnen, gegen acht, wenn Sie
     nichts dagegen haben.«
    »Gegen acht? Ja, natürlich«, antwortete Sergej mechanisch.
    Evelina hatte inzwischen noch mehr getrunken, sich aufs Sofa gelegt und ihren Kopf auf Sergejs Knie gebettet.
    »Gegen acht – das ist in vierzig Minuten«, sagte sie. »Da haben wir noch jede Menge Zeit, Gerassimow.« Sie hob die Hand und
     fuhr ihm mit dem Finger über die Lippen.
    »Lina, ich komme gerade aus dem Krankenhaus, mir ist schwindlig, und ich brauche eine Dusche«, sagte er und küsste ihr die
     Hand.
    »Ach ja?« Sie setzte sich abrupt auf und starrte ihn mit vollkommen nüchternen, kalten Augen an. »Jegor ist wohl eine Frau?
     Eine hübsche Schwester aus dem Krankenhaus?«
    »Hör auf«, knurrte Sergej leise. »Jegor Pleschakow ist der Sicherheitschef der Bank. Begreif doch endlich, ich lag zwei Wochen
     mit einer Gehirnerschütterung flach, ich kann im Moment nicht.«
    Das war nicht gelogen. Die betrunkene Evelina mit all ihren heißen, aufrichtigen Gefühlen erregte in ihm nichts als Mitgefühl.
    »Na schön, ich bleib eine Weile hier liegen, ich hoffe, du hast nichts dagegen? Mein Gott, bin ich betrunken«, murmelte sie
     und rollte sich auf dem Sofa zusammen.

Dreißigstes Kapitel
    Vor dem Flughafengebäude von Kerkura hielt ein weißer Renault, aus dem der Bodyguard Nikolai und Stas Gerassimow stiegen.
     Nikolai öffnete den hinteren Wagenschlag, reichte Natalja die Hand und half dann dem General beim Aussteigen. Stas fasste
     seinen Vater unter und führte ihn behutsam zum Eingang. Nikolai folgte ihnen mit einem kleinen Rollenkoffer.
    Wladimir wirkte so elend, dass mehrere Leute in der Menge ihn unwillkürlich ansahen. Natalja spürte die Blicke, und jeder
     versetzte ihr einen Stich ins Herz.
    Stas war düster und lauschte dem hastigen, leisen Monolog seines Vaters mit gesenktem Kopf.
    »Du wirst hier ganz stillsitzen und dich nicht rumtreiben, bis alles vorbei ist. Keine Bars, keine Restaurants, keine Frauen.
     Baden und dich sonnen kannst du an unserem Strand. Und du weichst Nikolai keinen Schritt von der Seite. Hast du mich verstanden?«
    »Ja, Papa. Ich habe verstanden. Und wenn es dir plötzlich ganz schlecht geht? Wie kann ich hierbleiben, wenn du …«
    »Wenn ich sterbe, wird man es dir mitteilen«, blaffte der General, »trotzdem bleibst du hier,

Weitere Kostenlose Bücher