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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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waren auf den Kanaren in einem Fünfsternehotel.«
    Wieder folgte eine Pause.
    Sergej registrierte, dass sein Gegenüber offenbar ein Freund langer Pausen war. Eine Unterhaltung mit solchen Leuten war unangenehm,
     man hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass sie einen der Lüge verdächtigten oder etwas von einem wollten, das man ihnen nicht
     geben kann und will.
    »Ihre Abteilung wurde in die Gegend um das Dorf Assalach geschickt. Sie sollten den Rebellenkommandeur Ismailow gefangennehmen,
     gerieten aber in eine Falle. Erzählen Sie mir genau, wie das geschah.«
    »Hören Sie, Sie haben doch gesagt, Sie seien Psychologe, Sie wollten mich psychologisch therapieren, nicht verhören«, erwiderte
     Sergej. »Die Operation war geheim, wir beide unterstehen verschiedenen Dienststellen. Was wollen Sie als Psychologe mit fremden
     Geheimnissen?«
    »Na schön, ich sehe, Sie sind erschöpft und gereizt. Wir werden auf unser Gespräch zurückkommen, wenn es Ihnen besser geht.«
     Michail Jewgenjewitsch erhob sich und schaute auf Loginow herab. Seine Augen drückten noch immer nichts als argwöhnische Aufmerksamkeit
     aus. Einen Augenblick lang schien es Loginow, als wären es keine lebendigen menschlichen Augen, sondern raffinierte Geräte,
     in die Augenhöhlen montiert und hinter Brillengläsern versteckt. »Ruhen Sie sich aus, Major, freuen Sie sich, dass Sie noch
     leben und kein hilfloser Krüppel sind. Sie haben großes Glück gehabt. Sie müssen jetzt erst mal wieder zu Kräften kommen.
     Sie haben viel vor sich. Alles Gute. Gute Besserung.«
     
    Punkt zwölf klopfte Angela an die Tür von Doktor Tichorezkajas Sprechzimmer.
    Sie trug wieder das schwarze Tuch und die Brille. Julia begrüßte sie kühl. Angela setzte sich nicht, nahm die Brille ab und
     ging zu dem großen Spiegel.
    »Ich bin doch eine Idiotin«, sagte sie, während sie sich betrachtete, »zu Hause habe ich alle Spiegel abgenommen. Aber jedes
     Mal, wenn ich einen Spiegel sehe, denke ich – vielleicht ist da drin mein richtiges, mein früheres Gesicht? Vielleicht habe
     ich das ganze Grauen nur geträumt?« Siezog sich das Tuch vom Kopf, trat vom Spiegel zurück und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
    »Angela, dein Produzent hat mich angerufen«, sagte Julia leise.
    »Ja? Und?« Angela wickelte sich zerstreut eine Ecke des Tuchs um den Finger.
    »Er hat mich zu Hause angerufen, um halb vier in der Nacht«, sagte Julia.
    »Wer – Gena?« Die Sängerin sprang auf, Tuch und Brille fielen zu Boden. »Und was hat er zu Ihnen gesagt?«
    »Er hat verlangt, dass ich nicht mit Journalisten rede und mit niemandem über unsere Probleme spreche. Hören Sie, Angela,
     ich fürchte, Sie müssen sich an einen anderen Arzt wenden.«
    Das Mädchen sah Julia einige Sekunden lang schweigend an. Schließlich sagte sie mit veränderter, heiserer Stimme: »Entschuldigen
     Sie. Ich bin gleich wieder da. Nur einen Augenblick.« Sie rannte aus dem Raum, das schwarze Tuch und die Brille blieben auf
     dem Fußboden liegen.
    Julia erhob sich, nahm die Sachen vom Boden, legte sie auf den Stuhl, ging in das kleine Nebenzimmer, öffnete das Fenster
     und zündete sich eine Zigarette an. Schwester Vika setzte sich neben sie aufs Fensterbrett.
    »Wollen Sie die Operation wirklich ablehnen, Julia?«
    »Ja. Ich hatte lediglich eingewilligt, ihr zu helfen, und nun werde ich bedroht. Wozu habe ich das nötig?«
    »Woher hat dieser Produzent eigentlich Ihre Privatnummer? Haben Sie sie vielleicht Angela gegeben?«
    »Natürlich nicht.«
    »Mamonow vielleicht?«
    »Auf keinen Fall, du weißt doch, das ist einer der eisernen Grundsätze unserer Klinik: Nur der Arzt selbst kann einem Patienten
     seine Privatnummer geben, wenn er das möchte. Sonst niemand.«
    »Furchtbar!« Vika schüttelte den Kopf und stieß einige perfekte Rauchkringel aus. »Haben Sie es Mamonow gesagt?«
    »Noch nicht. Aber ich denke, er wird mich verstehen.«
    »Sie ist sehr begabt«, bemerkte Vika vorsichtig, »und in ihrem Umfeld gibt es etliche Irre. Vielleicht hat sie überhaupt nichts
     damit zu tun?«
    »Vielleicht. Ich weiß es nicht.«
    Es klopfte an der Tür. Julia drückte die Zigarette aus und ging ins Sprechzimmer zurück. Angela war hereingekommen, zusammen
     mit einem rundlichen, vollkommen kahlköpfigen kleinen Mann.
    »Hier, ich hab ihn mitgebracht! Das ist Gena, mein Produzent. Er hat Sie nicht angerufen.«
    »Das ist die reine Wahrheit!« Der Dicke nickte energisch. »Um vier Uhr früh hab ich

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