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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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ihr
     war, sie nach Hause brachte, sie zwanzigmal am Abend anrief, ihr vielsagende Zettel schrieb und in ihren Rucksack steckte,
     dann fauchte sie verächtlich und tat, als ödeten seine Nachstellungen sie an. Aber sobald er in seinem Eifer nachließ, litt
     sie heftig, und wenn sie ehrlich war, wusste sie selbst nicht genau, was ihr angenehmer war – Andrjuschas Verehrung hochmütig
     zu dulden oder zu leiden.
    Bevor Schura sich ihr Physikbuch vornahm, aß sie eine kalte Bulette aus der Pfanne und schaute dabei nachdenklich aus dem
     dunklen Fenster. Dann entdeckte sie auf dem Regal eine offene Zigarettenschachtel ihrer Mutter und zündete sich eine Zigarette
     an. Sie rauchte äußerst selten und nicht auf Lunge, aber jetzt war ihr danach. Und natürlich klingelte es genau in diesem
     Augenblick unten an der Tür. Schura konnte gerade noch die Zigarette ausdrücken, das Fenster aufreißen und sich am Wasserhahn
     in der Küche den Mund ausspülen, als die Tür aufging.
    Julia sank erschöpft auf den Hocker und blieb mit geschlossenenAugen eine Weile sitzen, bevor sie sich auszog. Schura hockte sich vor sie und legte ihr Gesicht auf Julias Knie, vor allem,
     damit die Mutter den Zigarettenrauch aus ihrem Mund nicht roch. Julia streichelte ihrer Tochter den Kopf und fragte leise:
     »Sag mal, kennst du die Sängerin Angela?«
    »Ja, wieso?« Schura hob den Kopf und sah ihre Mutter erstaunt an.
    »Erzähl mir von ihr.«
    »Sie ist vor vier Jahren aus Swerdlowsk gekommen und hat fünf Clips aufgenommen. Sie ist nicht schlecht, ziemlich abgefahren,
     aber für meinen Geschmack übertreibt sies ein bisschen. Sie gibt freche Interviews, erzählt ständig, wie begabt sie ist und
     wie sehr sie alle beneiden. Früher hat sie sich jeden Monat die Haare gefärbt, in allen Regenbogenfarben, und vor kurzem hat
     sie sich kahl geschoren. Wieso, war sie bei dir in der Klinik? Will sie sich die Brust vergrößern lassen?«
    »Sie wurde in unsere Sprechstunde gebracht. Ihr Gesicht ist zertrümmert und ihre Nase gebrochen.«
    »Ach, hatte sie einen Unfall?«
    »Nein. Sie wurde zusammengeschlagen. Als hätte sie jemand absichtlich entstellen wollen.«
    »Furchtbar.« Schura schüttelte den Kopf. »Aber du bist ja eine geniale Chirurgin, Mama, du kriegst ihr Gesicht schon wieder
     hin. Übrigens ist sie selber schuld. Ihr Exliebhaber war Tschetschene, das ist bestimmt sein Werk.« Schura seufzte schwer
     und zog ihrer Mutter die Stiefel aus.
    »Moment mal, Schura, woher weißt du das mit dem tschetschenischen Liebhaber?«
    »Woher schon? Aus der Presse natürlich«, sagte Schura spöttisch. »Das heißt, ich dachte eigentlich, sie hätte dieses Gerücht
     absichtlich in die Welt gesetzt, als Provokation. Inallen Interviews wird sie danach gefragt, und sie streitet es immer ab. Aber dann stimmt es wohl …«
    »Sie sagt, es waren unbekannte Rowdys. Hör mal, Schura, wieso meinst du, ein Tschetschene müsse unbedingt brutal und ein Bandit
     sein?«
    »Nicht doch, Mama!« Schura riss die klaren braunen Augen auf. »Das meine ich überhaupt nicht.«
    »Schon gut. Hast du gegessen?« Julia schlüpfte in ihre Hausschuhe und ging in die Küche.
    »Ja. Ich hab eine Bulette gegessen.«
    »Kalt. Aus der Pfanne. Und dann hast du geraucht.«
    Schura bestritt das nicht, sie schloss rasch das Fenster, erklärte hastig, sie schreibe morgen eine Physikarbeit und müsse
     heute bis ein Uhr nachts lernen, und verschwand schnell in ihrem Zimmer.
    »Du jämmerliches, kleinmütiges Geschöpf!«, rief Julia ihr nach. »Ich werde dir keine Vorträge halten, ich geb dir einfach
     kein Geld für die albernen Turnschuhe, um die du so bettelst!«
    Schura kam wie der Blitz zurück in die Küche.
    »Das kannst du nicht machen, Mama! Ich tus nie wieder! Alle in unserer Klasse haben Skechers, wer keine hat, ist unten durch!
     Sie sind unheimlich praktisch, im Winter und im Sommer, bitte, Mama, du hast es doch versprochen!«
    »Vierzehn ist zu jung zum Rauchen«, sagte Julia kalt. »Schluss jetzt, geh für deine Physikarbeit lernen.«
    »Och, Mama!«
    »Schluss, hab ich gesagt!«
    Schura trottete in ihr Zimmer, wobei sie absichtlich mit den Latschen schlurfte. Allein in der Küche, schaltete Julia den
     Recorder mit der eingelegten Louis-Armstrong-Kassette ein, drehte den Ton leiser, kochte sich einen starken Kaffee, aß, genau
     wie Schura, eine kalte Bulette aus derPfanne, rauchte eine Zigarette, ging in ihr Zimmer und schaltete den Computer ein.
    Ehe sie es

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