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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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der Schachtel. »Weiß er, dass Sie ihm
     hier einen Doppelgänger basteln? Oder wollen Sie ihn damit überraschen?«
    Raiski erhob sich gemächlich aus seinem Sessel, trat dicht zu ihr, schnippte mit dem Feuerzeug und sagte kaum hörbar: »Die
     Existenz des Objekts A sollten Sie lieber vergessen, Julia.«
    »Drohen Sie mir schon wieder?« Sie wandte sich ab, um ihm nicht den Rauch ins Gesicht zu blasen, und als sie wieder hinschaute,
     blickte sie in sein charmantes Lächeln.
    »Ich hatte nicht erwartet, dass es so schwierig sein würde, sich mit Ihnen zu einigen; Sie werden schließlich von uns bezahlt,
     und nicht zu knapp«, sagte er und küsste ihr die Hand.
    Das kam so überraschend, dass Julia die Hand wegriss.
    »Das Geld ist natürlich wunderbar.« Julia nickte. »Aber Sie müssen zugeben, Sie schenken oder leihen es mir nicht. Sie bezahlen
     lediglich meine Arbeit, und die ist nun mal teuer. Und dass Sie es schwer haben, Michail, liegt nicht an mir. Lügen ist einfach
     immer schwer und unangenehm, selbst wenn man es gut beherrscht und viel Erfahrung damit hat.«
    Genau in diesem Augenblick klingelte das Telefon.
    »Ja«, sagte Raiski, hörte dem Anrufer zu, legte auf und erhob sich.
    »Es ist so weit, Julia.«
    Zwanzig Minuten später sah sie den Mann, den sie operieren sollte, zum ersten Mal. Und eine Stunde später lag Major Loginow
     in tiefem Narkoseschlaf.

Dreizehntes Kapitel
    Stas hasste Neubauviertel. Schlechtgekleidete Menschen mit grauen Gesichtern, einförmige graue Häuserblocks – all diese Hässlichkeit
     ärgerte ihn, besonders bei schlechtem Wetter. So erklärte er sich jedenfalls die Trockenheit in seinem Mund und die ziehenden
     Magenschmerzen, als er endlich in die Sormowskaja-Straße einbog.
    Das gesuchte Haus war ein schmutziger fünfgeschossiger Plattenbau. Eine Klingelanlage gab es nicht. Es stank nach Müll. Die
     Wände waren vollgekritzelt wie in der New Yorker Subway. Stas hielt sich die Nase zu und stieg die unglaublich schmutzige
     Treppe hinauf in die vierte Etage, blieb vor einer schäbigen Tür stehen und drückte auf den Klingelknopf. Es blieb still.
     Die Klingel war kaputt, er musste klopfen. Lange reagierte niemand. Schließlich hörte Stas Geräusche hinter der Tür, und ein
     heiserer, knarrender Bass fragte: »Bist dus, Irka? Komm rein, es ist offen!«
    Langsam drehte Stas am Türknauf. Zuerst sah er eine männliche Silhouette im dunklen kleinen Flur. Dort stand ein Mann, der
     nicht im Entferntesten aussah wie ein heruntergekommener Trinker. Stas wich zurück, und auch der Unbekannte trat einen Schritt
     zurück. Stas wollte die Tür zuschlagen und weglaufen, doch da vernahm er einen schweren, blubbernden Husten, und im Türrahmen
     erschien ein Kopf.
    »Was willst du?«, fragte der Kopf in heiserem Bass.
    Stas bemerkte eine Schramme auf seiner Wange und einen blauen Fleck unterm Auge. Im Flur ging plötzlich das Licht an.
    Am Flurende entdeckte Stas einen großen Spiegel, direkt gegenüber der Tür.
    Die bedrohliche Silhouette war lediglich sein eigenes Spiegelbild gewesen. Vor ihm stand ein magerer kleiner Mann in zerknittertem
     kariertem Hemd und grässlichen Trikothosen. Von dem rotwangigen Juri Michejew war nur noch die Stimme geblieben.
    »Na, komm rein, wenn du schon mal da bist. Es zieht.«
    »Hallo, Juri. Erkennst du mich?«, fragte Stas nach einem heiseren Räuspern und trat in den Flur.
    »Gerassimow, du?« Entzündete Augen glitten über sein Gesicht. Juri äußerte weder Erstaunen noch Freude, als hätten sie sich
     nicht vor sechzehn Jahren zum letzten Mal gesehen, sondern vorgestern. Ein Windstoß schlug die Tür hinter Stas zu und schnitt
     ihm so den Rückzug ab.
    »Hier, das soll ich dir von deiner Schwester geben.« Er reichte Juri die Plastiktüte.
    »Aha.« Juri nickte und nahm ihm die Tüte ab. »Hör mal, hast du was zu trinken mitgebracht?«
    »Trinken ist schädlich«, verkündete Stas mit dümmlichem Lächeln.
    Juri antwortete nicht, ging mit der Tüte in die Küche undfluchte dort träge auf Irina, die ihm lauter Blödsinn schickte statt einer simplen Flasche Wodka.
    Was will ich hier, dachte Stas wehmütig. Warum bin ich hergekommen?
    Er zog seine Jacke aus, hängte sie neben die Wattejacke des Hausherrn und ging entschlossen in die Küche. Michejew saß rauchend
     an einem nackten Plastiktisch auf einem Hocker und starrte aus dem dunklen Fenster ohne Vorhänge. Stas beachtete er gar nicht,
     er schnippte nur die Asche in eine leere

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