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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Montag früh einen Wagen schicken?«
    »Ja, tun Sie das bitte, Michail Jewgenjewitsch. Danke für die Fürsorge. Bis dann.«
    Sie hatte kaum aufgelegt, als in ihrer Tasche das Handy klingelte. Es war Schura – sie wollte wissen, ob sie bald nach Hause
     komme.

Sechzehntes Kapitel
    Das ballistische Gutachten bestätigte, dass der tödliche Schuss auf den Chauffeur Georgi aus der PSM-Pistole abgegeben worden
     war, die in Evelinas Wohnung gefunden wurde. Auf der Pistole waren keinerlei Fingerabdrücke.
    In der Wohnung in der vierten Etage in der Sormowskaja-Straße in Wychino wohnte niemand. Der Plattenbau war baufällig, die
     Mieter zogen nach und nach aus – die von Stas angegebene Wohnung stand seit drei Monaten leer. Die Mitarbeiter von Oberst
     Raiski fanden dort nur ein paar alte Zeitungen, Fetzen abgerissener Tapete, eine schmutzige Sprottendose und eine staubige
     schwarze Wattejacke.
    Weder die verbliebenen Mieter noch die Mitarbeiter der Wohnungsverwaltung hatten je von einem Juri Michejew gehört oder je
     einen Mann mit den beschriebenen Kennzeichen gesehen. Unter der Telefonnummer, die Stas angerufen hatte, meldete sich die
     Firma »Lichte Trauer« (sämtliche Bestattungsdienstleistungen zu moderaten Preisen). Eine Irina, siebenundzwanzig, groß und
     aschblond, war dort unbekannt.
    Die Frage eines Ermittlers, ob diese Frau eventuell als Kundin zufällig einen Anruf entgegengenommen haben könnte, verneinten
     die Bestatter einhellig und erklärten, der Apparat mit dieser Nummer stehe im Büro des Direktors, und dazu hätten die Kunden
     keinen Zutritt.
    Die Akte Michejew wurde aus dem Archiv geholt. Michejew war 1985 nach Paragraph 105-1, vorsätzlicher Mord, zu zehn Jahren
     Haft in einem Straflager verurteilt worden.
    Im Frühjahr 1985 hatte Michejew, Student im viertenStudienjahr am Institut für Auslandsbeziehungen, in leicht alkoholisiertem Zustand die Bürgerin Demidowa, eine Kommilitonin,
     mit einem spitzen Gegenstand tödlich verletzt. Der Tathergang war offensichtlich, Michejews Schuld restlos erwiesen. Bei der
     Verhaftung leistete Michejew hartnäckigen Widerstand, vor Gericht verhielt er sich aufsässig. Er zeigte nicht die geringste
     Reue ob seiner Tat und weigerte sich trotz der unwiderlegbaren Beweise stur, seine Schuld zu bekennen.
    In der vom Chef des Straflagers unterzeichneten Beurteilung hieß es, der Häftling Michejew habe ständig gegen die Disziplin
     verstoßen, Konflikte mit der Lagerleitung provoziert, seine unverdiente Autorität bei den Mithäftlingen ausgenutzt und Massenunruhen
     angezettelt, sei häufig mit Karzer bestraft worden, in Hungerstreiks getreten und habe sich überhaupt von der schlechtesten
     Seite gezeigt und nicht den Weg der Besserung eingeschlagen.
    Nach fünf Jahren wurde er in ein anderes Lager verlegt, mit strengen Haftbedingungen, und dessen Leiter beurteilte ihn vollkommen
     anders: Der Häftling Michejew habe sich als verantwortungsbewusst und diszipliniert erwiesen, verdiente Autorität genossen
     und befinde sich unbeirrbar auf dem Weg der Besserung.
    Er wurde vorzeitig entlassen – wegen akuter Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Das beiliegende medizinische Gutachten
     lieferte die Diagnose: offene Tuberkulose. Dieselbe Mappe enthielt auch eine Kopie der Sterbeurkunde. Michejew war drei Monate
     nach seiner Entlassung in der Infektionsabteilung des städtischen Krankenhauses Archangelsk gestorben.
    Was Michejews Eltern und seine jüngere Schwester Irina anging – sie alle waren vor vier Jahren in die USA übergesiedelt.
     
    Angela wartete im Flur, vollständig angezogen, einen kleinen Rucksack zu ihren Füßen und eine Tasche mit ihrem Notebook auf
     dem Schoß.
    »Bitte halten Sie mich nicht für unverschämt, das ist mir wirklich alles furchtbar peinlich. Aber ich habe keine Wahl: Gena
     hat Angina und hohes Fieber, und er hat mir wieder keine Kopeke dagelassen. Sie werden bestimmt zu Hause erwartet, es ist
     schließlich Wochenende. Sind Sie eigentlich verheiratet? Und haben Sie Kinder?«
    »Eine Tochter. Sie ist vierzehn.«
    »Oh, das Durchschnittsalter meiner Fans.«
    Julia fühlte sich miserabel. Warum tue ich das, fragte sie sich immer wieder, während sie mit Angela über den leeren, weiträumigen
     Flur ging. Ich möchte gern wissen, wer Ojekt A ist, in welcher Beziehung er zu Angela steht und warum sie voller Hass sein
     Foto zerrissen hat. Angela hat ihre Gefühle sehr wenig im Griff. Sie handelt in jedem Augenblick

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