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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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ein gewisser Michail hat angerufen, Sie möchten dringend zurückrufen.«
    »Komisch, er hat doch meine Handynummer.«
    »Er hat gesagt, Ihr Handy sei abgeschaltet.«
    Julia zog ihr Handy aus der Kitteltasche. Es war eingeschaltet.
    »Das ist ja ein schöner Saustall hier bei dir.« Vika ließ ihren Blick durchs Zimmer schweifen und schüttelte den Kopf. »Kannst
     du denn nicht alles ordentlich an einen Platz legen?«
    »Ja, mach ich«, versprach Angela.
    Vika griff nach einem großen Werbefoto der Sängerin, das auf dem Nachtschrank herumlag, lehnte es an die Wand, trat einen
     Schritt zurück und sagte nachdenklich: »Donnerwetter, ein tolles Bild. Ein richtiges Kunstwerk.«
    Das Foto war wirklich großartig. Der Fotograf verstand sein Handwerk. Er hatte Angela so in Szene gesetzt, dass die fehlenden
     Haare sie nicht hässlich machten, sondern ihr im Gegenteil etwas Geheimnisvolles, Außerirdisches verliehen. Riesige leuchtendgrüne
     Augen, ein großer Mund mit vollen roten, wie entzündet wirkenden Lippen, ein langer, schlanker Hals, magere, eckige Schultern.
    »Wirklich toll. Bis auf die grünen Glasperlen, die verderben alles, die passen da nicht rein. Alles ist so fein, so elegant,
     da ist dieser billige Modeschmuck fehl am Platz.«
    »Das sind Smaragde«, erklärte Angela trocken.
    »Wow!«, stöhnte Vika. »Echt? Und wie viel Karat?«
    »Zwei Karat in jedem Ohrring. Die Fassung ist Platin, mit Brillanten besetzt. Die sind auch echt. Ich hab noch so einen Ring.
     Das ist ein Set.«
    »Von der Oma geerbt?«
    »Nein. Das Geschenk eines lieben Jungen. Julia Nikolajewna, könnten Sie mich nicht heute nach Hause fahren?«
    Eine überraschende, seltsame Bitte. Julia wollte schon ablehnen, da bemerkte sie einige Schnipsel des zerrissenen Fotos auf
     der Bettdecke und nickte schweigend.
    Sie verließ das Zimmer, hob den Kopf und entdeckte in der Ecke ein kleines dickes Rohr mit dem Sucher einer Videokamera. Kameras
     waren in allen Fluren installiert, sie hatte sich daran gewöhnt und ignorierte sie normalerweise, genau wie alle anderen Kollegen
     es taten, aber nun wurde ihr mulmig.
    »Das Geschenk eines lieben Jungen«, knurrte Vika. »Warum treffe ich nie solche lieben Jungs? Vielleicht sollte ich mir den
     Kopf kahlscheren, was meinen Sie, Julia?«
    »Entschuldige, Vika, was sagst du?«
    »Stellen Sie sich vor, ich schere mich kahl, und sofort verliebt sich ein Junge in mich und schenkt mir Smaragde. Oder lieber
     Saphire. Ich mag Saphire schrecklich gern, besonders helle.«
    »Klar« – Julia nickte –, »und dann prügelt er dich halbtot und zertrümmert dir das Gesicht.«
    Vika blieb stehen und starrte Julia mit ihren großen blauen Kulleraugen an.
    »Sie meinen, das war derselbe?«
    Julia zuckte die Achseln »Ich meine gar nichts.«
    »Übrigens – ich hab in einer Zeitschrift gelesen, ihr Liebhaber ist Tschetschene, ein Terrorist.«
    »Ach, in solchen Zeitschriften steht alles Mögliche, besonders über Popstars.«
    »Erinnern Sie sich, wie Sie nachts angerufen und bedrohtwurden? Und die Operation ablehnen wollten? Vielleicht war der Anrufer ja der Tschetschene?«
    »Erinnere mich bloß nicht daran.« Julia verzog das Gesicht. »Seitdem hat mich keiner mehr belästigt.«
    »Wissen Sie, ich denke, Sie hätten doch ablehnen sollen«, sagte Vika leise und blickte dabei zur Seite, »nicht wegen des Anrufs,
     aber ich kann nun mal Leute nicht leiden, die ständig anderen zur Last fallen. Warum müssen Sie sie nach Hause bringen? Kann
     sie denn nicht ihren Produzenten anrufen oder ein Taxi nehmen?«
    »Wahrscheinlich hast du recht. Das nächste Mal lehne ich ab. Aber jetzt habe ich es versprochen.«
    »Das hätten Sie nicht tun sollen. Gehen wir beide nun heute zusammen essen oder nicht? Ich sterbe vor Hunger.«
    »Natürlich, Vika. Ich muss nur noch jemanden anrufen, dann gehen wir.«
    Noch ein paar Fahrten zur Militärbasis, dann ist es vorbei. In einer Woche ziehe ich bei Objekt B die Nähte und lebe wieder
     mein normales Leben. Und bald habe ich die ganze Geschichte vergessen, dachte Julia, während sie ihr Notizbuch aus der Tasche
     kramte und Raiskis Nummer heraussuchte.
    »Michail, ist etwas passiert?«
    »Nein, nichts, überhaupt nichts. Ich habe mir nur Sorgen gemacht, ob Sie in der Nacht gut nach Hause gekommen sind, und heute
     Morgen habe ich Sie nicht erreicht, da war besetzt.«
    »Danke, es ist alles in Ordnung.«
    »Und sonst? Wie geht es Ihnen?«
    »Ganz gut.«
    »Soll ich Ihnen vielleicht

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