Der falsche Freund
Polizeibeamter kenne ich mich mit diesen Dingen aus, und für mich besteht kein Zweifel daran, dass hier ein Fall von Belästigung vorliegt. Ich möchte das sowohl Ihnen als auch Ihrer Anwältin in aller Deutlichkeit sagen. Als ich diese Akte hier zum ersten Mal las, hätte ich Sie am liebsten sofort verhaftet. Ihre Anwältin wird Ihnen bestätigen, dass es sich hierbei um ein Vergehen handelt, das mit sechs Monaten Gefängnis oder einer Geldstrafe bis zu fünftausend Pfund oder beidem geahndet werden kann. Es stünde durchaus in meiner Macht, Sie auf der Stelle festzunehmen und bei Ihnen eine Hausdurchsuchung durchführen zu lassen.«
Ich war derart geschockt, dass ich vor Bestürzung und Wut kaum etwas herausbrachte.
»Das ist doch eine absolute Farce!«, stammelte ich schließlich.
»Ich habe doch bloß … Jedenfalls habe ich Brendan in keinster Weise belästigt. Ich habe lediglich mit ein paar von seinen Freunden gesprochen.«
»Was unter Belästigung im Einzelnen zu verstehen ist, wird in dem entsprechenden Gesetz nicht genau definiert«, erklärte Deirdre Walsh. »Wenn man der Meinung ist, belästigt zu werden, und eine ernst zu nehmende Person wie beispielsweise ein Richter das auch so sieht, dann liegt erwiesenermaßen Belästigung vor. Ich muss sagen, dass mir noch nie ein eindeutigerer Fall untergekommen ist.«
»Ms. Walsh hat Recht«, pflichtete Pryor ihr bei. »Meiner Meinung nach sollten gegen Sie rechtliche Schritte eingeleitet werden. Ich betrachte Sie als potenzielle Gefahr für Mr. Block.
Ihm aber war daran gelegen, das Ganze auf inoffiziellem Weg zu regeln. Käme dieser Fall vor Gericht, würde sofort eine einstweilige Verfügung gegen Sie verhängt werden. Mr. Block ist bereit, sich mit einer schriftlichen Erklärung von Ihnen zufrieden zu geben. Sollten Sie dazu nicht bereit sein, werden wir das Ganze noch einmal überdenken müssen.«
»Sie meinen, dann werden Sie mich verhaften?«
»So ist es«, antwortete Pryor.
»Das ist doch kompletter Wahnsinn«, erklärte ich. »Wenn hier jemand belästigt worden ist, dann ich. Ich habe mit Brendan Schluss gemacht, und daraufhin hat er sich in meine Familie gedrängt, in mein Leben. Eigentlich sollte ich eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirken.«
Nun folgte eine lange, peinliche Pause.
»Sie gehen auf eine sehr unkonventionelle Weise an die Sache heran«, stellte Pryor schließlich fest. »Ich glaube, Sie sollten sich jetzt kurz mit Ihrer Anwältin beraten. Wir werden Sie beide einen Moment allein lassen.«
Die drei erhoben sich. Ich musste aufstehen, damit sie vorbeikamen. Pryor zog die Tür hinter sich zu, aber die Innenwand seines Büros bestand aus Glas. Während sie alle drei zur Kaffeemaschine gingen, unterhielten sie sich miteinander.
Deirdre Walsh warf einen Blick über die Schulter und ertappte mich dabei, wie ich ihnen nachsah. Polly starrte auf den Teppich.
»Damit hatte ich nicht gerechnet«, sagte ich.
Sie drehte sich zu mir um. Die Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen.
»Ich bin nicht sicher, ob ich dafür die Richtige bin«, erklärte sie. »Du brauchst vielleicht jemanden mit mehr Erfahrung.«
»Ich möchte nur deinen Rat, Polly.«
Sie biss sich auf die Lippe.
»Ist es wahr, was sie sagen?«, fragte sie. »Ist das alles wirklich passiert?«
»Es ist zumindest nicht direkt unwahr«, antwortete ich.
»Aber die Umstände waren … ich meine, nehmen wir beispielsweise mal ihren Vorwurf, ich hätte Brendans Sachen durchwühlt. Er wohnte zu dem Zeitpunkt im Haus meiner Eltern, es war also keineswegs so, dass ich bei ihm eingebrochen bin. Und diese ganzen Telefonate waren überhaupt nicht der Rede wert, du weißt doch, wie das ist, wenn einen A an B verweist und B sagt, man soll C anrufen, und so weiter. Ich habe bloß versucht, ihn zu finden. Die Vorstellung, ich hätte Brendan belästigt, ist einfach absurd. Meiner Meinung nach ist dieser Mann sehr gefährlich. Was hätte ich denn tun sollen?«
Polly stand auf. Sie wich meinem Blick noch immer aus.
»Ich hätte mich nicht darauf einlassen dürfen«, erklärte sie.
»Wir kennen uns. Deswegen bin ich in diesem Fall nicht objektiv. Aber mir war nicht klar … Hör zu, Miranda, wenn du mich fragst, brauchst du – abgesehen von allem anderen – erst mal professionelle Hilfe.«
»Du meinst, von einem Therapeuten? Ich war schon in Behandlung. Bei einer Psychologin.«
»Das hast du mir gar nicht gesagt«, bemerkte Polly. »Und so einiges andere auch nicht.«
»Ich
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