Der falsche Freund
»Es hing alles davon ab, wie lange man bis zu Lauras Wohnung braucht, und Sie haben sich die falsche Strecke angesehen. Ich habe das überprüft: Wenn man zu Fuß unterwegs ist und den direkten Weg durch die Wohnsiedlung nimmt, geht es viel schneller. Es ist also ohne weiteres möglich, dass Brendan ihr gefolgt ist und kurz darauf wieder auf der Party war.«
Im Raum herrschte einen Moment Schweigen. Dann meldete sich Deirdre Walsh zum ersten Mal zu Wort.
»Entschuldigen Sie, Miss Cotton, ich bin nicht sicher, ob ich das jetzt richtig verstanden habe. Sie sind die Strecke selbst abgegangen und haben gemessen, wie lange man dafür braucht?«
»Irgendjemand musste es ja tun«, antwortete ich.
»Entschuldigung«, sagte Polly zu den anderen, lehnte sich zu mir herüber und flüsterte mir ins Ohr: »Ich glaube, es wäre besser, du würdest nicht Punkt für Punkt auf diese Vorwürfe eingehen, sondern erst mal warten, bis der Detective fertig ist.«
»Warum?«, fragte ich.
»Bitte.«
»Na schön«, sagte ich und wandte mich wieder Pryor zu.
Er nahm ein weiteres Blatt aus seiner Akte.
»Sagt Ihnen der Name Geoffrey Locke etwas?«
Ich überlegte einen Moment. Der Name kam mir tatsächlich bekannt vor.
»Ach, Sie meinen Jeff? Er ist ein Bekannter von mir.«
»Sie haben ihn wegen Mr. Block angerufen.«
»Ich wollte mich mit Brendan in Verbindung setzen.«
»Haben Sie im Telefonbuch nachgesehen?«
»Da stand er nicht drin.«
»Leon Hardy?«, fuhr Pryor fort.
»Mit dem habe ich nur ganz kurz telefoniert.«
»Weswegen?«
»Ich wollte mich mit Brendan in Verbindung setzen.«
»Craig McGreevy?«
»Ich weiß nicht, was es bringen soll, dass Sie hier alle diese Namen vorlesen.«
»Tom Lanham haben Sie sogar besucht.«
»Tut mir Leid, ich verstehe nicht, wo das Problem liegt.«
Ich warf einen Blick zu Brendan hinüber. Auf seinem Gesicht lag der Hauch eines Lächelns. So ähnlich hatte er mich angesehen, als wir uns zum ersten Mal trafen und ich mir einbildete, dass er mich wirklich mochte. Ich sah Pryor an. Er lächelte nicht.
»Sie haben nicht nur mit Lanham gesprochen. Sie haben Dinge mitgenommen, die Mr. Block gehörten.«
Ich wandte mich wieder zu Polly um. Sie sah mich nicht an.
»Ich hatte vor, mich mit Brendan zu treffen«, erklärte ich.
»Bei der Gelegenheit wollte ich ihm die Sachen geben.
Lanham war daran gelegen, sie loszuwerden. Wenn Sie mit ihm gesprochen haben, dann wissen Sie ja auch, dass Brendan sich aus dem Staub gemacht hat, ohne seine Miete zu bezahlen.«
Pryor sah erneut in seine Akte.
»Mr. Blocks Großmutter, Victoria Rees, leidet unter schwerer Demenz. Sie haben Sie in ihrem Pflegeheim besucht.«
»Ja.«
»Dachten Sie, sie könnte Ihnen Mr. Blocks Adresse geben?«
»Ich wollte etwas über seine Kindheit erfahren. Aus verschiedenen Gründen.«
»Seine Schwester haben Sie ebenfalls besucht«, fuhr Pryor fort. »Und ihr beleidigende und indiskrete Fragen gestellt.«
»So würde ich es nicht nennen.«
»Nach all den Tragödien, die über ihn hereingebrochen sind, versucht Mr. Block gerade, sein Leben wieder auf die Reihe zu bringen. Er hat eine neue Beziehung. Sie sind an seine neue Partnerin herangetreten. Sie haben ihr nachspioniert und sie bedroht.«
»Ich habe sie nicht bedroht.«
»Ich habe mit Mr. Block und seiner juristischen Vertreterin vereinbart, dass ich dieses Treffen arrangieren und in seinem Namen mit Ihnen sprechen würde. Trotzdem möchte ich Mr. Block jetzt bitten, uns kurz zu erklären, wie er das alles aus seiner Perspektive sieht.«
Brendan hüstelte.
»Es tut mir Leid, Mirrie«, begann er. »Ich empfinde wirklich Mitleid mit dir. Aber ich fühle mich durch dein Verhalten schon seit längerem …« Er legte eine Pause ein, als wäre das alles so schmerzlich, dass er kaum darüber sprechen konnte. »…
verletzt. Bedroht. Belästigt. Beunruhigt.«
»Ha! Mein Herz blutet für dich«, erwiderte ich wütend.
»Miranda!«, sagte Polly in scharfem Ton.
»Ich möchte noch eins hinzufügen«, erklärte Pryor. »Ms.
Walsh und Mr. Block sind mit diesen Informationen zu mir gekommen. Vieles davon war mir bereits bekannt. Ich muss sagen, dass es sich hierbei um einen eindeutigen Fall von Belästigung handelt, und verweise in diesem Zusammenhang auf das entsprechende Gesetz von 1997.«
»Was zum Teufel meinen Sie damit?«, fragte ich. »Behauptet Brendan wirklich, ich hätte ihn belästigt?«
»Hören Sie zu, Miss Cotton«, antwortete Pryor. »Als
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