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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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wird.«
    »Miranda«, sagte mein Vater, der plötzlich von der Seite auftauchte. »Wie geht es dir?«
    Ich ignorierte die Frage, nicht zuletzt, weil Brendan an seiner Seite klebte. Er trug eine neue, gebügelte Jeans und einen hellblauen Pullover, bei dem er die Ärmel bis knapp unter die Ellbogen hochgeschoben hatte.
    »Hallo, Dad. Schön, dich zu sehen«, sagte ich und legte einen Arm um meinen Vater. Er tätschelte ein wenig verlegen meinen Rücken. Umarmungen sind nicht so sein Ding.
    »Ich muss zugeben, dass Brendan ein echter Grillmeister ist«, erklärte er.
    »Es kommt darauf an, die Kohle richtig aufzutürmen«, antwortete Brendan. »Man ordnet die Briketts zu einer Pyramide an, legt ein paar Anzünder darunter und sorgt dann dafür, dass das Ganze so richtig schön brennt. Man breitet die Kohlen erst aus, wenn die Flammen erloschen sind.«
    »Bill und ich haben gerade über das Haus gesprochen«, wechselte ich das Thema.
    »Du solltest aufpassen, was Brendan zu sagen hat«, meinte Dad. »Du könntest vielleicht etwas von ihm lernen.«
    »Ich grille so selten in meiner Wohnung.«
    »Irgendwann ist immer das erste Mal«, erwiderte Brendan.
    »Ich glaube, Grillen ist doch eher ein Männersport«, gab ich zurück.
    »Wir haben nie miteinander gegrillt, oder, Mirrie?«
    Ich war versucht zu sagen: »Nein, Brendan. Wir haben nie miteinander gegrillt, weil wir nur ungefähr neun Tage zusammen waren, sodass wir gar keine Zeit dafür hatten, genauso wenig wie für viele andere Dinge.« Aber ich verkniff es mir. Stattdessen holte ich tief Luft. Es war ein stummes, metaphorisches Luftholen.
    »Nein, das haben wir nicht«, antwortete ich.
    »Ich fürchte, ich habe Brendan gelangweilt«, erklärte Dad. »Er hat mich über meine Arbeit reden lassen.«
    »Schachteln«, sagte Brendan und rieb die Hände aneinander.
    »So einfach, und doch so wichtig. Stellt euch das Leben ohne Schachteln vor!«
    Bill schnappte nach Luft. Sogar mein Vater wirkte angesichts von so viel Enthusiasmus ein wenig verblüfft.
    »Nun ja«, antwortete er. »Dazu kann ich wenig sagen. Ich bin eher der praktische Typ. Ich stelle gern Dinge her. Und es hat mir immer Spaß gemacht, Probleme zu lösen. Problemlösungen zu finden. Dazu hat man in der Verpackungsbranche viel Gelegenheit.«
    »Ich weiß genau, was du meinst«, pflichtete Brendan ihm bei.
    »Auf den ersten Blick scheint es eine ziemlich banale Arbeit zu sein. Aber ich weiß noch genau, was für Probleme es gab, als ich vor ein paar Jahren mit einem Typen namens Harry Vermont eine Dotcom-Firma gründete.«
    »Was für eine Firma?«, fragte mein Vater.
    Brendan lachte ein wenig kläglich.
    »Eine von der Sorte, die uns alle zu Millionären machen sollte«, antwortete er. »Aber inzwischen existiert sie nicht mehr.«
    »Worum ging’s dabei?«, wollte Bill wissen.
    »Die Grundidee war«, erklärte Brendan, »dass die Leute alle möglichen Waren im Internet bestellen konnten und wir sie liefern würden. Wir wollten die Mittelsmänner oder besser die Vermittler sein. Am Anfang dachte ich, es würde dabei hauptsächlich um technische Fragen gehen. Aber als wir dann so richtig loslegten, merkte ich, dass das nur zum Teil zutraf und es letztendlich auch um die Verpackung und Auslieferung ging.

    Man musste am richtigen Ort die richtige Firma finden und dafür sorgen, dass die Ware so schnell wie möglich verpackt wurde, damit wir sie pünktlich ausliefern konnten. Das war eine unglaubliche Herausforderung für uns.«
    »Mit wem habt ihr zusammengearbeitet?«, fragte Dad.
    »Bitte?«
    »Die Verpackungsbranche ist in diesem Land eine kleine Welt. Ich habe mich gerade gefragt, ob vielleicht jemand dabei war, den ich kenne.«
    »Wir waren erst in der Planungsphase«, entgegnete Brendan.
    »Dann brach der ganze Dotcom-Markt zusammen, und unsere Finanzierung platzte. Der gute alte Harry ist darüber nie so ganz hinweggekommen.«
    »Wenn es dich interessiert, Brendan, kann ich dich gern mal in der Firma herumführen.«
    »Das wäre großartig«, antwortete Brendan. »Aber ich schätze, jetzt ist es erst mal an der Zeit, das Fleisch auf den Grill zu legen.«
    Wie sich herausstellte, war es keineswegs an der Zeit, das Fleisch auf den Grill zu legen. Während wir uns unterhalten hatten, war das Grillfeuer wieder ausgegangen. Brendan meinte, das passiere manchmal, wenn die Briketts zu lange in einem Schuppen gelegen hätten und feucht geworden seien. Mein Vater wirkte hocherfreut und erklärte, er hätte es

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