Der falsche Freund
von denen aus man eng umschlungen den Booten zusehen konnte, von Sex unter dünnen Laken, während draußen die Sonne auf die heruntergelassenen Jalousien brannte. Stattdessen gingen wir ständig zum Essen und gaben deshalb viel zu viel Geld aus. Eigentlich hatten wir vorgehabt, uns hauptsächlich von Brot, Käse und Pizza zu ernähren, aber unsere Picknickpläne waren im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen. Bei diesem Wetter war es einfach besser, sich in ein Lokal zu setzen und zwei angenehme Stunden mit dem Drei-Gänge-Touristenmenü und einer Karaffe Hauswein zu verbringen. Nick kaufte mir eine Ledergeldbörse und einen Ring aus venezianischem Glas. Ich machte ein Foto von ihm, wie er ziemlich durchnässt auf der Rialtobrücke stand.
Abends aßen wir in winzigen Restaurants, und wenn wir ins Bett gingen, hörten wir den Regen gegen die kleinen Fenster unseres Zimmers trommeln. Nick schnarchte ziemlich laut, reinigte seine Zähne morgens und abends jeweils fünf Minuten mit Zahnseide und liebte Schokolade und Eis.
Hin und wieder hörte der Regen für kurze Zeit auf, und durch einen Schleier aus Wolken und Dunst tauchte zögernd die Sonne auf. Dann schimmerten die Pfützen, die vollen Kanäle glitzerten im Licht, die Steine begannen zu dampfen. Es war die stillste, schönste Stadt, in der ich je gewesen war, und ein- oder zweimal ertappte ich mich dabei, dass ich mir wünschte, ich wäre allein hergekommen und brauchte mir keine Gedanken über unsere Beziehung zu machen, mich auf keinen anderen Menschen einzustellen. Ich wäre stundenlang die verlassenen Wege entlangspaziert, hätte alle Eindrücke in mich aufgesogen. Der Regen hätte mich überhaupt nicht gestört.
Als ich am Sonntagnachmittag zurückkam, waren sie immer noch da. Sie schienen sich sogar noch häuslicher eingerichtet zu haben als zuvor. Ihre Habseligkeiten begannen meine Regale zu füllen, ihre Wäsche drehte sich in meiner Waschmaschine, ihre Zahnbürsten lehnten in meiner London-Underground-Tasse. Auf dem Tisch türmten sich zwei dicke Stapel Hochzeitseinladungen: Samstag, 13. Dezember, vier Uhr nachmittags. Gemeinsam listeten sie auf, wen sie einladen wollten und was bis wann entschieden und erledigt werden musste. Sie machten beide einen aufgekratzten, geschäftigen Eindruck.
Ich packte meine Taschen aus und fuhr dann zu Laura. Aber es waren ein paar von Tonys Freunden da, sodass ich mich nach einer halben Stunde wieder verabschiedete. Zu Brendan und Kerry sagte ich, ich hätte Kopfschmerzen. Ich zog mich mit einem Teller Rührei und einer Tasse Tee in mein Schlafzimmer zurück, wo ich mich aufs Bett setzte und den Geräuschen in der Wohnung lauschte. Nebenan wurde ferngesehen, telefoniert und gelacht. Ich hörte Wasser rauschen und die Federn der Ausziehcouch quietschen. Während ich in meinem Essen herumstocherte, bis es kalt und unappetitlich geworden war, starrte ich auf meine Bücherregale und die sich stapelnden Papiere auf meinem Schreibtisch. Bildete ich mir das nur ein, oder sah tatsächlich alles ein wenig anders aus – als hätte sich jemand an meinen Sachen zu schaffen gemacht? Ich legte mich hin und schaltete das Licht aus. Draußen lachte Brendan laut auf, fast als wäre ihm daran gelegen, gehört zu werden. Als wollte er, dass ich ihn hörte.
Am nächsten Morgen jedoch brachen sie früh auf, um in dem Haus, das sie kaufen wollten, die Räume zu vermessen. Sie sagten, sie brauchten die Maße für Vorhänge und Bücherregale.
Anschließend würde Kerry gleich ins Reisebüro weiterfahren.
Ich beschloss, später als sonst zur Arbeit zu gehen, um vorher noch ein wenig Zeit allein in meiner Wohnung verbringen zu können.
Später ging ich alles, was ich in dieser wundervoll ruhigen Stunde tat, immer wieder im Geist durch. Als Erstes räumte ich den Küchen- und Wohnbereich auf, verstaute die Steppdecke und die Bettlaken im großen Eckschrank, schob die Ausziehcouch zusammen, stopfte herumliegende Klamotten in Tüten, spülte die Teller und Gläser vom Vorabend. Dann öffnete ich die Fenster, so weit es ging, um den Raum zu lüften und von seinem ungewohnten Geruch zu befreien, wischte über die Fliesen, saugte den Teppich. Als ich fertig war, nahm ich ein ausgiebiges Bad und wusch mir die Haare. Hinterher zog ich den Stöpsel heraus und putzte die Wanne, ehe ich mich im Bademantel zum Frühstück niederließ, ein Handtuch wie einen Turban um mein feuchtes Haar geschlungen. Ich aß Müsli mit Joghurt und trank dazu
Weitere Kostenlose Bücher