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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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eine große Tasse Kaffee. Ich machte mir sogar die Mühe, die Milch für den Kaffee vorher zu wärmen.
    Dann zog ich mich an, putzte mir die Zähne, griff nach meinem Overall, verließ die Wohnung und sperrte die Tür hinter mir ab.
    Ich weiß, dass ich all das getan habe. Ich kann mich genau erinnern.
    Ich arbeitete nach wie vor in dem großen Haus in Hampstead.
    Gegen Mittag schaute Bill vorbei und lud mich auf einen Salat ein. Um halb sechs hörte ich auf, wusch meine Pinsel aus und fuhr nach Hause. Ich war an diesem Abend nicht mit Nick verabredet, und Kerry hatte etwas von Kino gesagt, sodass ich hoffte, noch ein wenig Ruhe zu haben. Ich lechzte regelrecht danach, allein zu sein. Vielleicht würde ich mir irgendwo was zu essen mitnehmen und ein wenig Musik hören. Ein Buch lesen.
    Faulenzen.
    Als ich vor meiner Wohnung parkte, war es fast halb sieben.
    Es brannte kein Licht. Mein Herz tat vor Freude einen kleinen Sprung. Beschwingt lief ich die Treppe hinauf. Ich hörte es schon, während ich die Tür öffnete. Ein tröpfelndes, plätscherndes Geräusch. Als hätte jemand einen Wasserhahn nicht ganz zugedreht. Aber gleichzeitig irgendwie anders.
    Gewaltiger, komplizierter. Dann ging ich hinein.
    Überall war Wasser. Auf dem Küchenboden stand es drei Zentimeter hoch, der Wohnzimmerteppich war ebenfalls klatschnass. Unter der Badezimmertür quoll Wasser hervor. Ich öffnete sie und stieg in die Flut. Die Überreste des Buches, das ich am Morgen in der Badewanne gelesen hatte, trieben zusammen mit einer matschigen Rolle Klopapier neben der Toilettenschüssel. Über den Rand der Wanne ergoss sich ein ständiger Wasserfall. Das heiße Wasser war halb aufgedreht. Ich watete quer durch den Raum und drehte den Hahn zu. Obwohl ich meine Jacke noch anhatte, tauchte ich den Arm in die Wanne und tastete nach dem Stöpsel. Mir war vor Schreck und Sorge richtig übel. Ich musste an die Wohnung unter mir denken, und mir wurde gleich noch viel übler. Nachdem ich den Stöpsel herausgezogen hatte, schnappte ich mir die Kehrichtschaufel und begann das Wasser vom Boden in die sich langsam leerende Wanne zu schöpfen. Ich brauchte fünfundvierzig Minuten, um das Bad einigermaßen vom Wasser zu befreien. Dann verteilte ich überall Zeitungen, die den Rest aufsaugen sollten, und begann mit der Küche. Kurz darauf klingelte es an der Tür.
    Er schrie schon, bevor ich richtig aufgemacht hatte. Wütend stürmte er herein, stapfte über den klatschnassen Teppich, schrie mich weiter an. Sein Gesicht war violett angelaufen. Ich hatte Angst, dass er eine Herzattacke oder einen Schlaganfall erleiden könnte oder sein Kopf einfach explodieren würde.
    »Es tut mir so Leid!«, sagte ich immer wieder. Ich konnte mich nicht mal an seinen Namen erinnern. »Ich weiß gar nicht, wie …«
    »Sie bringen das alles wieder in Ordnung, haben Sie mich verstanden? Jeden noch so kleinen Schaden!«
    »Natürlich. Wenn Sie mir die genauen Daten Ihrer Versi …«
    In dem Moment kamen Brendan und Kerry Arm in Arm die Treppe herauf. Beide hatten von der frischen Abendluft rote Wangen.
    »Was um alles in der Welt …?«, begann Kerry.
    »Dreimal darfst du raten!« Wütend wandte ich mich an Brendan. »Sieh dir an, was du angerichtet hast! Nicht genug, dass du dich hier einnistest, meinen Kühlschrank leer räumst, meinen Kaffee und meinen Wein trinkst und jeden freien Millimeter besetzt, sodass ich keinen Schritt mehr tun kann, ohne dir in die Arme zu laufen. Nein, du musst auch noch jeden Mittag baden und dann …« Inzwischen schäumte ich richtig vor Wut. »Und dann lässt du auch noch den Stöpsel drin und das Wasser laufen. Sieh dir das an! Sieh dir das an!«
    »Und das ist noch gar nichts im Vergleich zu unten«, fügte mein Nachbar grimmig hinzu.
    »Miranda«, sagte Kerry. »Ich bin sicher …«
    »Puh!« Brendan hielt beide Hände hoch. »Nun beruhige dich erst mal, Mirrie.«
    »Miranda. Ich heiße Miranda. Den Namen ›Mirrie‹ gibt es nicht!«
    »Deswegen brauchst du nicht gleich hysterisch werden.«
    »Ich bin nicht hysterisch. Ich bin wütend.«
    »Ich war heute gar nicht hier.«
    »Was?«
    »Ich war heute nicht hier.«
    »Du musst hier gewesen sein.«
    »Nein. Jetzt setzt euch doch erst mal, ich mache uns Tee. Oder brauchen wir etwas Härteres?« Er wandte sich an meinen Nachbarn. »Was meinen Sie, Mr., ähm …«
    »Lockley. Ken.«
    »Ken. Whisky? Ich glaube, Whisky haben wir da.«
    »Meinetwegen«, brummte er.
    »Gut.«
    Brendan holte die

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