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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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umzubringen. Wenn er ihn nicht sogar selbst
    …« Ich konnte es nicht aussprechen.

    »Sie glauben, es war Mord, getarnt als Selbstmord? Ist es das, was Sie mir sagen wollen?« Robs Ton klang jetzt härter, fast ein wenig sarkastisch. »Und wie stellen Sie sich das konkret vor?«
    »Darüber denke ich schon die ganze Zeit nach. Ich finde, Sie sollten es zumindest als Möglichkeit in Betracht ziehen.«
    Wir schwiegen eine ganze Weile. Rob starrte aus dem Fenster, als hätte draußen etwas seine Aufmerksamkeit erregt. Als er sich mir wieder zuwandte, spürte ich eine Barriere zwischen uns.
    »Troy hat starke Tabletten genommen«, sagte ich. »Er litt unter schlimmen Schlafstörungen. Wenn er die Medikamente nahm, war er so gut wie ohnmächtig.«
    Rob griff nach einer der Akten auf seinem Schreibtisch.
    »Ihr Bruder hatte Spuren von Barbiturat im Blut.«
    »Genau.«
    Er warf die Akte zurück auf den Tisch.
    »Wie Sie gerade sehr richtig gesagt haben, nahm er starke Medikamente. Da ist das keineswegs ungewöhnlich. Sagen Sie mir eins, Miranda«, fuhr er fort. »Was würden Sie tun? An meiner Stelle, meine ich.«
    »Ich würde Brendan unter die Lupe nehmen.«
    »Unter die Lupe nehmen? Einfach so?«
    »Wer weiß, was dabei herauskommen würde.«
    Rob starrte mich verblüfft an. Er wirkte inzwischen leicht gereizt.
    »Wieso haben Sie diesen Brendan so auf dem Kieker?«, fragte er. »Haben Sie ein Problem mit ihm?«
    »Das ist eine ziemlich lange Geschichte.«
    Nun wurde es ihm definitiv zu viel. Entnervt sah er auf die Uhr.
    »Miranda, ich bin ein wenig in Eile …«
    »Ich werde mich kurz fassen«, fiel ich ihm ins Wort und berichtete in groben Zügen, was zwischen Brendan und mir vorgefallen war. Während ich sprach, begann es draußen zu dämmern. Es war einer jener düsteren Dezembertage. Als ich fertig war, lag sein Gesicht schon so weit im Halbschatten, dass ich seine Miene nicht mehr genau erkennen konnte.
    »Was sagen Sie dazu?«, fragte ich.
    »Sie haben eine harte Zeit hinter sich«, antwortete er.
    »Eine Trennung von einem Freund.«
    »Er war nicht wirklich mein Freund.«
    »Und einen Todesfall in der Familie. Es tut mir wirklich Leid, Miranda, aber ich kann nichts für Sie tun.«
    »Und Sie finden nicht, dass dieser Mistkerl gefährlich sein könnte?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Rob. »In private Streitigkeiten mische ich mich nicht ein.«
    »Bis ein Verbrechen passiert.«
    »Das ist richtig. Ich bin nun mal Polizist.«
    »Brauchen Sie mehr Beweise? Ist es das?«
    »Nein, nein«, entgegnete er rasch. »Ganz bestimmt nicht. Sie haben genug getan.« Er stand auf, ging um seinen Schreibtisch herum und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Miranda, lassen Sie dem Ganzen ein wenig Zeit. In ein paar Wochen oder Monaten sieht die Sache schon ganz anders aus, das verspreche ich Ihnen.«
    »Und Sie werden gar nichts tun?«
    Er deutete auf den Aktenberg auf seinem Schreibtisch.
    »Ich werde eine ganze Menge tun.«

    Laura sah großartig aus. Sie war erst vor ein paar Tagen bei einem Friseur in Clerkenwell gewesen, den man sich eigentlich nur leisten konnte, wenn man vorher einen Kredit aufnahm, aber ich musste zugeben, dass es sich gelohnt hatte. Gesträhnt und auf wild gestylt, leuchtete ihr Haar an diesem grauen Tag wie ein Signalfeuer. Es schien die ganze Bar zu erhellen. Sie war außerdem sehr schick gekleidet. Wir hatten uns gleich nach der Arbeit getroffen, und sie trug einen Hosenanzug und eine weiße Rüschenbluse. Plötzlich wurde ich mir meines eigenen Aussehens auf unangenehme Weise bewusst und versuchte im Fenster einen Blick auf mein Spiegelbild zu erhaschen. Ich hatte das ungute Gefühl, nicht besonders präsentabel auszusehen.
    Irgendwie war ich in den letzten Tagen nicht dazu gekommen, mich um mein Äußeres zu kümmern, es war immer etwas anderes wichtiger gewesen. Während ich kurz zuvor die Camden High Street entlanggeeilt war und mir dabei überlegt hatte, was ich Laura sagen wollte und wie ich es am besten formulierte, war mir aufgefallen, dass mich zwei Schulmädchen im Vorbeigehen neugierig anstarrten und dann zu kichern begannen. Erst in dem Moment war mir bewusst geworden, dass ich laut gedacht hatte.
    Wenn ich beruflich sehr im Stress bin, kommt es schon mal vor, dass ich ein wenig schlampig herumlaufe. In solchen Zeiten versuche ich mir immer einzureden, dass ich trotzdem noch auf eine knabenhafte Art und Weise gut aussehe. Nun fragte ich mich, ob das Ganze vielleicht gekippt war und

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