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Der falsche Mann

Der falsche Mann

Titel: Der falsche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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ratterte er Beschlüsse über zulässige Beweise und Zeugenaussagen herunter. So durfte die Anklage bei der Juryauswahl ihre schicken neuen Computer zur Durchleuchtung der kriminellen Vergangenheit potenzieller Geschworener nicht nutzen, sofern sie diese Ressource nicht auch der Verteidigung zur Verfügung stellte. (Ein Punkt für mich.) Die Verteidigung durfte Kathy Rubinkowskis Vorstrafenregister nicht anführen – was ich auch gar nicht vorhatte, da die einzige kriminelle Verfehlung ein PETA -Protest gegen Tierversuche in ihrem Freshman-Jahr an der Uni war. Da Wendy mich kannte, hatte sie versucht, meine Äußerungsmöglichkeiten während der Vorvernehmung der Geschworenen einzuschränken, aber der Richter würgte das ab und erklärte, sie könne während des Vorgangs gegebenenfalls immer noch Einspruch erheben.
    In dieser Art ging es Schlag auf Schlag. Über fünfundzwanzig unserer einunddreißig Anträge entschied der Richter in einem Zeitraum von nur fünf Minuten.
    Ich kritzelte seine Entscheide so gut ich konnte mit. Ich war völlig benebelt. Das Hotelbett, in dem ich dieser Tage schlief, war nicht allzu komfortabel, und morgens erwachte ich regelmäßig mit steifem Hals und Kopfschmerzen, was insofern nett war, als mein kaputtes linkes Knie ein wenig Gesellschaft bekam.
    Der Richter gestattete uns Ausführungen zu einigen wichtigeren Anträgen. So gewährte er mir eine volle Anhörung unseres Antrags, Tom Stollers sogenanntes Geständnis vom Prozess auszuschließen. Mein Hauptargument war, dass Tom nicht erklärtermaßen auf sein Recht auf einen Anwalt verzichtet hatte. In der Videoaufzeichnung fragten ihn die Cops, ob er seine Rechte verstanden hätte, woraufhin er vage nickte. Aber er hatte sich nie vernehmlich dazu geäußert. Ich führte an, die Einwilligung hätte laut ausgesprochen oder zumindest unmissverständlich erfolgen müssen. Tom Stoller litt unter nervösen Zuckungen, wie man auf dem Video unschwer erkennen und wie mein Sachverständiger bestätigen konnte, und ein Kopfnicken war bei Tom in etwa so häufig wie Atemholen.
    Der Richter warf einen raschen Blick auf Tom, der im Verwahrungsbereich zu seiner Linken saß. Tom leckte sich unaufhörlich die Lippen und wackelte beständig mit den Fingern. Aber so wie er heute dasaß, an den Vorgängen mehr oder weniger unbeteiligt, hielt er den Kopf relativ ruhig. Erst wenn er nervös wurde, bewegte er ihn heftiger.
    Die Diskussion ging einige Zeit hin und her. Ich kannte meine Widersacherin gut, und Wendy Kotowski war ganz offensichtlich nervös. In diesem Punkt schätzte ich sie offenbar als verletzlich ein. Ich hatte nicht damit gerechnet, mit diesem Antrag durchzukommen, aber je länger ich der Auseinandersetzung zwischen dem Richter und Wendy lauschte, desto mehr Hoffnung schöpfte ich.
    Und dann zerstörte der Richter innerhalb von zehn Sekunden alle meine Illusionen. » Ich werde die Videoaufzeichnung zulassen. Allerdings steht es der Verteidigung frei, diesen Sachverhalt zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal vorzubringen.«
    » Euer Ehren, wir hatten eine Anhörung zur Beweisaufnahme beantragt«, erinnerte ich ihn. Das Gericht sollte vor dem Prozess die Polizei und vielleicht sogar Tom zu diesem Punkt hören. Ich hatte ein Großteil des gestrigen Tages – Sonntag – mit der Vorbereitung dieser Anhörung verbracht.
    » Wir werden in diesem Punkt vorgehen wie besprochen«, sagte der Richter.
    Ich hasste es, wenn Richter Entscheidungen aufschoben. Er ließ das Beweismittel zu und würde erst dann darüber befinden, ob Tom dem Verhör zugestimmt hatte, wenn er das Band gesehen hatte. Folglich würde auch die Jury Toms Äußerungen zu hören bekommen. Anschließend konnte der Richter unserem Antrag entweder folgen und die Jury anweisen, das Video zu ignorieren – ja, klar doch –, beziehungsweise den Prozess abbrechen und mit einer neuen Jury bei null wieder beginnen. Oder er konnte meinen Antrag ablehnen, zur Urteilsfindung schreiten und den Fall von seinem Terminkalender streichen. Man musste kein Nostradamus sein, um seine bevorzugte Entscheidung vorherzusagen.
    Die meisten Richter hätten mir eine Anhörung zur Beweisaufnahme gewährt. Aber der alte Spruch im Gericht – Richter Nash ist nicht die meisten Richter – galt hier mehr denn je. Hätte ich den Fall von Anfang an betreut, hätte ich einen Richterwechsel verlangt. Jeder Anwalt hatte das Recht, mindestens einmal den Richter zu wechseln, zumindest bevor eine wesentliche

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