Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der falsche Mann

Der falsche Mann

Titel: Der falsche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
Vom Netzwerk:
richterliche Entscheidung getroffen worden war. Aber dieser Zeitpunkt war längst verstrichen, als ich in den Fall eingestiegen war.
    Mein Handy summte. Eigentlich mussten die Handys im Gerichtssaal ausgeschaltet bleiben, aber ich hatte meines auf Vibrationsalarm geschaltet. Wendy war gerade mitten in irgendwelchen Ausführungen, daher zog ich das Telefon heimlich aus der Tasche und las die SMS . Sie war von Tori.
    Online-Nachricht. Bruce McCabe heute Morgen tot aufgefunden. Offensichtlich Selbstmord. Hing in seiner Garage. Keine weiteren Details.
    McCabe war tot? Ich fragte mich, was das zu bedeuten hatte; einmal davon abgesehen, dass ich hier ganz offensichtlich auf einer heißen Spur war. Er wäre einer meiner Überraschungszeugen gewesen, sofern der Richter es mir gestattet hätte, doch jetzt war er nicht mehr verfügbar. Trotzdem, das Ganze konnte sich als Vorteil erweisen. Tote Zeugen widersprechen einem nicht. Ich konnte mit dem Finger auf ihn deuten, ohne seinen Widerspruch befürchten zu müssen. Darüber hinaus würde ein Selbstmord – wenn es denn wirklich einer war – darauf hindeuten, dass er möglicherweise Dreck am Stecken und deswegen Schuldgefühle hatte. Neue Energie durchströmte mich, aber ich zügelte mich sofort mit dem Gedanken, dass Richter Nash bisher noch nicht das Geringste über Randall Manning, Global Harvest, Bruce McCabe oder dergleichen gehört hatte. Und normalerweise waren ihm Überraschungszeugen ebenso willkommen wie Hämorriden.
    Wow. Okay. Ich schüttelte den Kopf. Ich musste mich wieder auf die Vorgänge in diesem Gerichtssaal konzentrieren.
    Der Richter hatte sich Wendys wichtigsten Antrag bis zum Schluss aufgehoben. Sie stürzte sich in eine lange Ausführung darüber, warum Tom Stollers zugegebenermaßen verdienstvolle militärische Karriere für diesen Prozess nicht relevant war. Sie würde lediglich dazu dienen, die Sympathie der Jury zu gewinnen.
    » Die Verteidigung geht davon aus, dass Tom Stoller diese Verbrechen niemals gestanden hat«, erklärte ich, als ich endlich die Gelegenheit dazu erhielt. » Er sprach damals über den Vorgang in Mosul, nicht über den Mord an Kathy Rubinkowski. Seine Äußerungen gegenüber der Polizei stimmen fast wortwörtlich mit Sergeant Hiltons Beschreibung der Ereignisse in dem unterirdischen Tunnel überein. Wenn es der Verteidigung untersagt wird, diese Informationen zu präsentieren, muss die Jury zwangsläufig von einem Geständnis Toms ausgehen. Das ist absolut unfair, Euer Ehren.«
    Der Richter lud Wendy ein, dem noch etwas hinzuzufügen. Normalerweise gewährt der Richter einer Partei dieses Recht, bevor er gegen sie entscheidet. Dieser Schachzug soll in den Gerichtsprotokollen den Eindruck erwecken, als hätte die betreffende Partei jede Gelegenheit gehabt, sich zu äußern, bevor er ihren Antrag abschmettert. Ich verspürte eine gewisse Erleichterung, während der Richter sich auf seinen Beschluss vorbereitete und Wendy ihre Ausführungen beendete.
    Doch meine Erleichterung war von kurzer Dauer.
    » Sergeant Hilton war bei der Schießerei in Mosul nicht persönlich dabei«, sagte der Richter. » Er hat nur die Auswirkungen gesehen, wie die Staatanwaltschaft bereits erläutert hat. Also können Augenzeugenberichte, die diesen Vorfall und seine Ähnlichkeiten mit Mr. Stollers Aussagen gegenüber der Polizei betreffen, nur von Mr. Stoller selbst gemacht werden. Sergeant Hiltons Aussage ist vom Prozess ausgeschlossen, ebenso wie jeder andere Verweis auf den militärischen Hintergrund und die Verdienste des Angeklagten, außer den nötigen Fakten, falls Mr. Stoller sich doch noch zu einer Aussage entschließt. Und absolut keine Erwähnung von posttraumatischem Stress oder Unzurechnungsfähigkeit. Die besonderen Umstände in Mosul dürfen erwähnt werden, aber nur durch den Angeklagten selbst. Also müssen Sie sich entscheiden, Mr. Kolarich.«
    Es war ein Schlag mitten ins Gesicht. Der Richter hatte mir bestenfalls einen Pyrrhussieg gewährt. Ursprünglich hatte ich Sergeant Hilton als ersten Zeugen aufrufen wollen und anschließend Dr. Baraniq, der bestätigte, dass Tom während des Verhörs eine PTBS -induzierte Episode erlebte; danach hätte ich die Beweisaufnahme vermutlich abgeschlossen.
    Doch jetzt war Hilton draußen, und Baraniq durfte nur auftreten, wenn Tom mit seiner Aussage die faktische Basis dafür schuf. Ich musste die entscheidenden Argumente durch einen Zeugen etablieren, der sich schon im normalen Alltagsleben kaum

Weitere Kostenlose Bücher