Der falsche Mann
verfassungsmäßigen Grundlagen unserer Nation.
» Würde mir irgendjemand widersprechen, wenn ich sage, dass wir gerade deshalb die großartigste Nation der Welt sind, weil wir nicht einfach blind der Regierung vertrauen – sondern dass sie Beweise von allerhöchster Qualität liefern muss, wenn sie einen von uns Bürgern einsperren will? Möchte mir da jemand widersprechen?«
Niemand widersprach. Ich hatte es auch nicht erwartet. Dies war bereits Teil meines Abschlussplädoyers, aber ich verpackte es in die bei einer Geschworenenauswahl absolut zulässige Frageprozedur.
Mein Handy vibrierte erneut – ein weiterer Anruf.
Ich war fast am Ende. Ich hatte jedem Geschworenen eine Reihe persönlicher Fragen auf der Basis der von ihnen ausgefüllten Fragebögen gestellt. Weitere zehn Minuten hatte ich auf das Thema der Selbstbeschuldigung verwandt – und was wir doch für ein tolles Land waren, das seine Angeklagten nicht zu Aussagen zwang; und jeder sollte bitte die Hand heben, der einen Angeklagten verurteilen würde, nur weil er nicht in den Zeugenstand trat. Tatsächlich gaben einige der potenziellen Geschworenen zu, dass sie durchaus Zweifel an einem Angeklagten hätten, der nicht aufstehen und seine Unschuld erklären würde. Dem Richter würde keine andere Wahl bleiben, als die betreffenden Kandidaten nun selbst auszusondern.
Und ich hatte ihnen ein wenig Hurrapatriotismus in die Ohren geblasen. Jetzt fehlten nur noch meine sogenannten Durchhaltefragen. Schließlich brauchte ich am Ende nur einen einzigen Geschworenen.
» Ist sich jeder von Ihnen bewusst, dass Sie als Geschworene die absolute Freiheit haben, in diesem Fall so zu entscheiden, wie Sie wollen? Dass Sie nicht verpflichtet sind, sich den anderen anzuschließen, nur weil Sie überstimmt wurden? Heben Sie bitte Ihre Hand, wenn Ihnen das nicht bewusst ist.«
Niemand hob die Hand.
» Würde irgendjemand unter Ihnen den Druck verspüren, eine bestimmte Entscheidung zu treffen – ob schuldig oder unschuldig –, nur weil alle anderen so stimmen, Sie persönlich aber anderer Meinung sind?«
Offensichtlich würde niemand diesen Druck verspüren.
» Würde mir irgendjemand widersprechen, wenn ich sage, dass es in einem System, das ein unbestechliches Urteil verlangt, Ihre verfassungsmäßige Pflicht ist, bei einer Entscheidung Ihrem Gewissen zu folgen, selbst wenn Sie allein gegen elf stehen?«
Niemand widersprach. Aber mein Handy vibrierte erneut.
Irgendjemand wollte mich dringend sprechen. Wenn es etwas mit dem Fall zu tun hatte, dann musste es eine gute Nachricht sein, denn schlimmer konnte es nicht werden.
Ich konferierte leise mit Shauna, und wir beschlossen, von sechs unserer zehn möglichen Ablehnungen potenzieller Jurymitglieder Gebrauch zu machen. Wir wollten sie nicht alle verwenden, denn höchstwahrscheinlich würde sich unsere Jury nicht allein aus diesem Pool rekrutieren. Weitere dreißig Kandidaten würden befragt werden, und wir wollten uns einige unserer sogenannten Einreden für sie aufbewahren.
Wir gaben Wendy unsere Liste, sie gab uns ihre, und wir überreichten sie dem Richter. Nun würden wir uns in sein Büro zurückziehen und auswerten, auf wie viele wir uns geeinigt hatten. Dann würden wir uns weitere dreißig Kandidaten vornehmen und sie derselben Prozedur unterwerfen, bis wir die erforderlichen fünfzehn hatten – zwölf plus drei als Reserve.
Aber zuvor hatte ich endlich Gelegenheit, einen Blick auf mein Handy zu werfen. Bradley John hatte mich bereits viermal angerufen.
» Diese Initialen«, erklärte er mir, als ich mich bei ihm meldete.
» Ja? Du hast rausgefunden, wer AN und NM sind?«
» Nein«, sagte er. » Ich habe rausgefunden, was sie sind.«
66
Richter Nash hielt uns bis fünf Uhr nachmittags im Gericht fest, und nach dem dritten Geschworenenaufgebot hatten wir schließlich die fünfzehnköpfige Jury inklusive der drei Ersatzjuroren komplett. Acht der zwölf regulären Geschworenen waren Frauen. Fünf waren Afroamerikaner. Einer war Pakistani und ein weiterer ein Halbchinese. Das Altersspektrum reichte von neunzehn bis einundsechzig. Eine war Fußpflegerin, ein anderer Caterer. Es gab eine Kellnerin, einen Lackierer, zwei Hausfrauen, die Leiterin einer Kindertagesstätte, einen Personalmanager, eine Buchhalterin, eine Pharmavertreterin, eine Produktmanagerin für Sanitätsartikel und schließlich meinen Favoriten Jack Strauss. Er war Rentner.
Ein pensionierter Militärangehöriger, um genau zu sein.
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