Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der falsche Mann

Der falsche Mann

Titel: Der falsche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
Vom Netzwerk:
gestützt. » Willst du, dass ich bleibe?«
    Ich blickte sie an. » Ja, das möchte ich sehr gerne, Tori. Wie du vielleicht schon bemerkt hast, habe ich weniger Zweifel an unserer Beziehung als du.«
    Sie nahm das zur Kenntnis, ohne es zu kommentieren.
    » Okay, okay«, versicherte ich ihr. » Das soll dir jetzt keinen Druck machen.«
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Glücksgefühle schienen sie merkwürdig zu berühren, aber ich hatte den Eindruck, dass sie sich langsam mit ihnen anfreundete. » Willst du was beim Zimmerservice bestellen? Und mir ein bisschen von deinen Ideen erzählen? Mir macht das immer Spaß.«
    Es machte tatsächlich Spaß. Es war schon immer das Beste an diesem Fall gewesen, und das nicht nur, weil ich mich unwiderstehlich zu ihr hingezogen fühlte. In Wahrheit hatte sie mir mit ihren Kommentaren und Ideen enorm weitergeholfen.
    In Wahrheit hatte ich begonnen, diese Frau sehr nahe an mich heranzulassen.
    69
    » Kathy Rubinkowski war eine dreiundzwanzigjährige Collegeabgängerin, deren Ziel es war, einmal in der wissenschaftlichen Forschung tätig zu sein. Das war ihr großer Traum. Und während sie tagsüber als Anwaltsgehilfin in einer Kanzlei arbeitete, besuchte sie abends die Universität, um ihren Master zu machen. Sie war wie viele andere junge Menschen in unserer Stadt – ehrgeizig, entschlossen, ohne Scheu vor harter Arbeit. Sie verfolgte ihre Version des amerikanischen Traums.«
    Wendy Kotowski trug ein einfaches graues Kostüm. Sie begann ihr Eröffnungsplädoyer vor der Jury mit langsamen Worten und der üblichen Mischung aus neun Teilen klinischer Faktensprache und einem Teil Emotion und Empörung. Sie wollte die Jury spüren lassen, dass ihr das Schicksal von Kathy Rubinkowski naheging, doch davon abgesehen sollte sich die Aufmerksamkeit nicht auf sie konzentrieren – die Fakten sollten im Mittelpunkt stehen.
    » Der dreizehnte Januar dieses Jahres sollte eigentlich ein Tag wie jeder andere werden. Kathy erwachte an diesem Morgen in ihrem Apartment in Franzen Park, an der Kreuzung der Gehringer mit der Mulligan Street. Sie fuhr zur Arbeit in die Kanzlei in der Innenstadt und blieb dort bis etwa halb sechs Uhr abends. Anschließend besuchte sie von sechs bis zehn ihre Vorlesung in organischer Chemie an der Abendschule.
    Sie fuhr nach Hause und parkte ihren Wagen etwa gegen elf Uhr an diesem Abend. Wir werden nie erfahren, was sie für den Rest des Abends geplant hatte. Vielleicht wollte sie noch lernen. Vielleicht wollte sie sich ein wenig vor dem Fernseher entspannen. Vielleicht wollte sie einfach nur schlafen gehen. Oder vielleicht dachte sie auch an den nächsten Tag, ihren vierundzwanzigsten Geburtstag, und an ihre gemeinsamen Pläne mit Freunden.
    Aber wie gesagt, wir werden es nie erfahren. Weil sie ihren vierundzwanzigsten Geburtstag nie erlebte. Weil sie ihr Apartment nie wieder betrat. Ja, weil sie es kaum mehr schaffte, ihre Tasche aus dem Kofferraum ihres Wagens zu holen. Denn am dreizehnten Januar, etwa gegen dreiundzwanzig Uhr, wurde Kathy Rubinkowski von diesem Mann hier angesprochen, dem Angeklagten Thomas Stoller.«
    Wendy deutet auf Tom, der neben mir saß. Seine Tante Deidre hatte ihm in einem Secondhandladen einen halbwegs passenden Anzug gekauft, und ich hatte eine Krawatte beigesteuert, die ich schon zehn Jahre nicht mehr getragen hatte. Ich wollte, dass er ordentlich aussah und dem formalen Prozedere gegenüber nicht respektlos wirkte, doch sollte er auf keinen Fall übermäßig gelackt oder zugeknöpft rüberkommen. Es war eine der vielen Finessen im Gerichtssaal. Die Jury gewann aufgrund von Toms Erscheinung einen ersten und vielleicht dauerhaften Eindruck von ihm, der in keinem Zusammenhang mit der Realität stand.
    » Der Angeklagte hat Kathy Rubinkowski in der dunklen, verlassenen Straße ausgeraubt«, sagte Wendy. » Der Angeklagte hat ihr die Handtasche abgenommen. Er hat ihr die Halskette abgenommen. Er hat ihr das Handy abgenommen. Und er hat ihr noch etwas genommen, das weitaus wertvoller war. Er hat ihr das Leben genommen. Er hat ihr in den Kopf geschossen. Er hat dieser wehrlosen Frau genau zwischen die Augen geschossen.«
    Bei diesen letzten Sätzen zuckten die meisten Geschworenen zusammen oder zeigten anderweitige Reaktionen. Wendy hatte die Botschaft gut rübergebracht und auf die maximale Wirkung abgezielt. Ich an ihrer Stelle hätte womöglich sogar gesagt: Er schoss ihr mitten ins Gesicht, was noch schlimmer klang. Aber Wendy hatte

Weitere Kostenlose Bücher