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Der falsche Mann

Der falsche Mann

Titel: Der falsche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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schon immer das Understatement bevorzugt.
    Ich achtete sorgfältig auf ihre Wortwahl. Er nahm ihre Handtasche, ihre Halskette, ihre Handy, ihr Leben. Ohne eine detaillierte Abfolge der Ereignisse zu schildern, gelang es ihr damit zu implizieren, dass zuerst der Raub erfolgt war und dann der Mord. Sie legte sich auf keine explizite Theorie fest. Ich wusste, was sie dachte – dass Tom sein Opfer zuerst getötet und dann beraubt hatte. Die Indizien sprachen dafür. Aber diese Theorie konnte sie in Schwierigkeiten bringen, und da sie das offensichtlich wusste, blieb sie im Moment mit ihren Ausführungen im Allgemeinen.
    Wendy schilderte die Fakten, die ihre Theorie stützten. Die Mordwaffe wurde bei Tom gefunden, ebenso die anderen Dinge: ihre Handtasche, ihr Handy, ihre Kette mit der zerrissenen Schließe, die man ihr offenkundig vom Hals gerissen hatte. Wendy brachte alle Punkte einzeln vor, als würde jeder Gegenstand Tom noch tiefer hineinreiten. Ich dagegen würde das der Jury als Gesamtpaket vorführen – wenn dann ein Glied riss, war die ganze Kette unbrauchbar.
    Sie beendete ihr Eröffnungsplädoyer nach zwanzig Minuten. Es war eine einfache und ziemlich direkte Beweisführung.
    » Sie hat das Geständnis nicht erwähnt«, sagte Shauna.
    Richtig. Das hob sie sich auf. Sie blieb bescheiden und behielt ihre Trümpfe auf der Hand. Das war Wendys Stil. Es sollte vermutlich eine nette Überraschung werden.
    Der Richter bedeutete mir, dass ich nun Gelegenheit hätte, mein Eröffnungsplädoyer vorzutragen. Ich hatte bereits signalisiert, dass ich dieses bis zur eigentlichen Beweisführung der Verteidigung verschieben würde, um meinerseits das Überraschungsmoment zu wahren. Ich hatte Sergeant Hilton als Zeugen verloren, hatte jedoch eine Idee, wie ich möglicherweise meinen Experten, Dr. Sofian Baraniq, einsetzen konnte. Es war ein Glücksspiel, aber es war alles, was ich hatte.
    » Ich möchte mein Eröffnungsplädoyer verschieben«, erklärte ich laut. Unter den gegebenen Umständen war es wohl das Geschickteste, was ich tun konnte.
    Ich schaute mich kurz um. Ich fing Tante Deidres Blick auf, aber nach ihr hatte ich nicht gesucht. In der letzten Sitzreihe des Gerichtssaals entdeckte ich ihn schließlich: Special Agent Lee Tucker vom FBI .
    » Euer Ehren, wäre es wohl möglich, eine kurze Pause zu machen?«, sagte ich. Wir hatten heute spät begonnen, und es war kurz vor elf, also würde er sie mir höchstwahrscheinlich verweigern. Lee würde warten müssen.
    » Versuchen wir es vor der Mittagspause noch mit einem Zeugen«, sagte der Richter. » Ms. Kotowski?«
    Wendy Kotowski erhob sich.
    » Der Staat ruft Officer Francis Crespo in den Zeugenstand«, sagte sie.
    70
    Officer Francis Crespo stand seit zehn Jahren im Dienst der städtischen Polizei. Er war gebaut wie ein Kühlschrank, hatte dunkle Haut und einen Schnurbart. Er war einer der Streifenbeamten, die gerade in der Gegend waren, als die Nachrich t vo n dem tödlichen Schuss auf der Gehringer Street einging.
    » Wir waren nicht die Ersten am Tatort«, erklärte er. » Aber wir bekamen den Zuschlag, als über Funk durchgegeben wurde, dass ein Obdachloser mit einer Pistole durch Franzen Park rennt.«
    » Sie ›bekamen den Zuschlag‹?«, fragte Wendy.
    » Wir wurden vom diensthabenden Detective angewiesen, dem nachzugehen. Mein Streifenwagen und der von Officer Downing. Wagen achtzehn und dreiundzwanzig.«
    » Fahren Sie fort, Officer.«
    » Mein Partner und ich fuhren mit unserem Wagen Richtung Franzen Park.«
    » Warum im Wagen?«, fragte Wendy. » Lag der Park nicht lediglich einen Block entfernt?«
    » Das ist korrekt, Ma’am, aber es ist ein ziemlich lang gestreckter Block. Das nordöstliche Ende des Parks lag einen halben Kilometer entfernt. Daher erschien es sinnvoll, zu fahren, auch um vor Ort mobil zu sein.«
    » Das ist verständlich, Officer. Wo fuhren Sie hin?«
    » Officer Downings Wagen übernahm das Südende des Parks und ich und mein Partner den Norden. Als wir hinter dem Gebäude der Parkverwaltung nachsahen, stießen wir zwischen zwei Müllcontainern auf eine Person. Er hatte …«
    » Entschuldigen Sie, Officer. Ist diese Person heute hier im Gericht anwesend?«
    » Das ist korrekt, Ma’am. Es war der Angeklagte, der dort sitzt.«
    Er deutete auf Tom.
    » Identifikation auf Verlangen«, sagte ich.
    » Fahren Sie fort, Officer.«
    » Er – der Angeklagte hatte eine Handtasche auf dem Schoß und durchwühlte sie. Ich leuchtete ihn mit

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