Der falsche Mann
Detective und damit zuständig für das Vorgehen am Tatort. Er und Wendy machten ein großes Tamtam um die ausgiebige Spurensuche vor Ort, walzten es für mein Gefühl aber zu sehr aus. Ich sage das, weil sie nichts Belastendes fanden und diesen Umstand damit letztendlich nur unterstrichen. Die meisten Geschworenen haben heutzutage CSI gesehen und erwarten solche raffinierten Ermittlungsmethoden. Daher hatte Wendy während der Geschworenenauswahl auch die meiste Zeit damit verbracht, den potenziellen Juroren klarzumachen, dass CSI lediglich eine Fiktion war – und Fingerabdrücke zum Beispiel viel schwieriger zu finden waren, als es uns das Fernsehen glauben macht. Staatsanwälte im ganzen Land müssen sich mit diesen ungerechtfertigt hohen Erwartungen von Jurys herumschlagen. Allerdings hielt mich das nicht davon ab, mein eigenes » CSI -Kreuzverhör« durchzuziehen und auf all die erstaunlichen technischen Möglichkeiten hinzuweisen, die jedoch keinerlei Beweise gegen meinen Mandanten erbracht hatten.
Nach Abschluss von Wendys Befragung zur Spurensuche – die zeigen sollte, dass die Beweismittel vorschriftsmäßig gesammelt und gelagert worden waren –, war Mittag vorbei. Das war in Ordnung für Wendy, die Danilos Aussage in die Länge ziehen wollte, weil er vermutlich ihr letzter Zeuge war. Und es war in Ordnung für mich, weil in meinen Augen der Tag gar nicht schnell genug vorübergehen konnte.
Aber Richter Nash wollte fortfahren, also zögerte Wendy keine Sekunde.
» Das Verhör mit dem Angeklagten wurde von mir selbst und Detective Ramona Gregus durchgeführt«, sagte Danilo.
» Haben Sie das Verhör aufgezeichnet, Detective?«
» Ja, das haben wir.«
» Haben Sie dem Angeklagten seine Rechte verlesen?«
Danilo nickte. » Ich hab ihn über sein Recht aufgeklärt, zu schweigen und sich einen Anwalt zu nehmen. Er signalisierte uns, dass er bereit sei zu sprechen.«
» Und hat er mit Ihnen gesprochen?«
» Ja.«
Wendy Kotowski nahm die Mordwaffe vom Beweismitteltisch und bat um die Erlaubnis, sich dem Zeugen nähern zu dürfen. Die meisten Richter verzichten mittlerweile auf diese Formalität, nicht so Bertrand Nash.
» Ich zeige Ihnen hier Beweisstück Nummer sechs«, sagte Wendy. » Haben Sie dem Angeklagten diese Waffe gezeigt?«
» Ja, hab ich.«
» Und was geschah dann?«
» Ohne zu zögern, sagte der Angeklagte: ›Das ist meine Pistole‹. Er wiederholte es zweimal. ›Das ist meine Pistole.‹«
» Und nachdem Ihnen der Angeklagte zweimal erklärt hatte, die Waffe gehöre ihm«, fragte Wendy, auf altbewährte Art die hilfreiche Information wiederholend, » was geschah dann?«
» Ich fragte ihn, wo er die Waffe herhat.«
» Hat der Angeklagte darauf geantwortet?«
» Nein, hat er nicht.«
Wendy nickte und ging dann ihre Notizen durch. Offensichtlich wollte sie sich das Geständnis bis zuletzt aufheben und sicherstellen, dass der Zeuge zuvor alle anderen Informationen geliefert hatte.
Dann blickte sie zum Richter auf und sagte: » Keine weiteren Fragen mehr an diesen Zeugen, Euer Ehren.«
Keine weiteren Fragen?
Es riss mich in meinem Stuhl herum, und ein elektrischer Stromstoß durchzuckte mich. Wendy befragte ihn nicht zum Geständnis?
Ich versuchte, mir über ihr Vorgehen klar zu werden. Sie hatte etabliert, dass Tom die Waffe als sein Besitz reklamierte, also konnte sie unterstellen – und Tom würde dem nicht widersprechen –, dass sich die Waffe schon vor dem Mord längere Zeit in seinem Besitz befunden hatte. Wenn ich das unangefochten stehen ließ, war jedes Argument zunichte, der fliehende Mörder habe Tom die Waffe untergeschoben.
Offenbar war das für Wendy ausreichend.
Denn sie hatte meinen Plan durchschaut.
Sie wusste, Toms Geständnis war wacklig. Die Jury würde ein Video sehen, in dem Tom einem imaginären Feind gegenübertrat, ihm Befehle wie » Lassen Sie die Waffe fallen« zubrüllte und anschließend in Tränen ausbrach. Sie wusste, damit böte sie mir eine Chance, mein PTBS -Argument und Toms militärische Vorgeschichte einzuführen.
Daher würde sie Toms Geständnis nicht für ihre Beweisführung heranziehen. Sie würde sich darauf beschränken, dass Tom die Mordwaffe als die seine reklamierte.
Ich wäre nie darauf gekommen, dass ein Staatsanwalt ein aufgezeichnetes Geständnis nicht verwenden würde. Als Wendy es in ihrem Eröffnungsplädoyer nicht erwähnt hatte, dachte ich, sie hielte es nur zurück. Mir war nicht klar gewesen, was sie
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