Der falsche Mann
unsere Spuren verwischen, Bruder Stanley, falls Ihnen das entgangen sein sollte. Wenn irgendjemand fragt, warum ich heute in der Stadt war, kann ich den Lunch mit dem Arbeitsminister anführen, ein Treffen mit gewählten Politikern, eine Runde Squash mit dem Präsidenten eines Pharmazieunternehmens, der ein wichtiger Kunde ist. Und Sie, Stanley? Was können Sie vorweisen?«
Manning spannte den Hahn der Waffe, und Stanley stammelte eine Reihe von Entschuldigungen. » Ich bin spät losgekommen und hätte nur noch die letzten Minuten dabei sein können, Sir, deswegen …«
» Stanley«, sagte Manning mit eisiger Gelassenheit. » Uns bietet sich hier eine einmalige Gelegenheit, richtig?«
» Richtig, Sir. Uns bietet sich die Gelegenheit einer Erwiderung auf …«
» Und diese Gelegenheit bietet sich uns vor allem wegen des Ansehens der Mitglieder unseres Zirkels, richtig?«
» Ja, Sir.« Schweißtropfen rannen über Stanleys Wangen.
» Und den äußeren Schein zu wahren hat absolute Priorität, oder?«
» Absolute Priorität, Sir.«
» Und wenn wir zu einem Treffen des Zirkels anreisen, besteht das Risiko, Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, geben Sie mir da recht?«
» Ja …«
» Und während ich hier so stehe, Bruder Stanley, fällt mir kein besonderes Alibi für Ihre Anwesenheit hier ein. Falls jemand nachforschen sollte. Weil Sie den Lunch verpasst haben.«
» Tut mir leid, Sir. Ich habe nichts zu meiner Entschuldigung vorzubringen.«
Manning straffte sich und Stanley ebenfalls. Der gesamte Raum folgte ihrem Beispiel.
Manning löste den Hahn der Waffe und ließ sie an seiner Seite herabsinken.
» Wir sind dicht vorm Ziel, Brüder. Und je näher wir diesem kommen, desto höher ist das Risiko, desto mehr Gefahr droht.« Er schritt zu seinem angestammten Platz am Kopfende. » Wir haben viele Herausforderungen überstanden. Wir sind so dicht davor. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, in unseren Anstrengungen nachzulassen. Jetzt ist der Zeitpunkt, entschlossen zusammenzustehen und alle Kräfte zu bündeln. Habe ich mich klar ausgedrückt, Brüder?«
» Ja, Sir«, erwiderten sie unisono.
» Ausgezeichnet.« Manning setzte sich und neigte den Kopf. » Und jetzt lasst uns beten.«
14
» Er erschießt also Kathy Rubinkowski, geht dann zu ihrer Leiche und raubt ihre Handtasche, ihr Handy und ihre Halskette.« Shauna schob sich eine Haarlocke hinters Ohr. » Wie passt das zu PTBS ? Er erlebt einen Moment aus dem Irakkrieg wieder, erschießt sie, und dann bestiehlt er sie?«
Ich lag auf der Couch in der Ecke meines Büros, warf meinen Football in die Höhe und fing ihn knapp vor meinem Gesicht wieder auf. » Ich hab mal einen Film gesehen, da hat ein Soldat eine Zigarre aus der Tasche eines toten Feindes gestohlen. Der Krieg verdirbt die Menschen, schätze ich.«
» Ja, gut möglich. Allerdings schwächt es deutlich dein Sympathieargument.«
» Vergiss nicht, dass Tom sich bei ihr entschuldigt hat.«
» Ja, ganz toll. ›Tut mir leid, dass ich Sie erschossen hab. Aber da ich nun schon mal hier bin, wäre es doch schade, das ganze Geld in Ihrer Handtasche zum Teufel gehen zu lassen.‹ Das wird die Leute ziemlich für ihn einnehmen, mein Kleiner.« Sie zwinkerte mir zu.
Shauna war meine beste Freundin. Sie war meine Lebensretterin. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie mir den Kopf aus dem Hintern gezogen und mich gezwungen, mir mit ihr ein Büro zu teilen. Nachdem ich meine Frau und meine Tochter verloren hatte, war ich auf dem besten Weg gewesen, meine Anwaltslaufbahn auf den Müll zu werfen. Vermutlich werde ich mich ewig fragen, was dann wohl aus mir geworden wäre. Vielleicht wäre ich Astronaut geworden. Auch Rodeoreiter wäre cool gewesen. Obwohl ich noch nie auf einem Pferd geritten bin, schon gar nicht auf einem wilden Bronco.
Ich setzte mein Ein-Mann-Ballspiel fort. » Es ist noch schlimmer. Der Raub geschah nicht mal im Affekt. Tom hatte keine Blutspuren an sich. Richtig? Steht zumindest im Polizeibericht. Und du hast ja gesehen, was für eine Blutlache rund ums Opfer war.«
Shauna blätterte die Tatortfotos durch. » Du hast recht. Er hat ihre Handtasche und ihr Handy an sich genommen und ihr dann die Kette vom Hals gerissen, ohne mit ihrem Blut in Berührung zu kommen. Das hat sicher einiges an Geschicklichkeit erfordert.«
» Ich weiß. Dadurch lässt sich unser Argument leider noch schwerer verkaufen. Wir versuchen, das Bild eines Soldaten mitten in der Hitze der Schlacht zu zeichnen, während
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