Der falsche Mann
wissen aber nicht, wie«, sagte ich. » Sie sind eine Frau, die gut auf sich selbst aufpassen kann, und schätzen es nicht, wenn Männer so tun, als müssten sie eine Jungfrau in Nöten retten.«
Sie lauschte mit einer Spur Amüsement.
» Andererseits«, fuhr ich fort, » waren Ihnen diese muskelbepackten Schläger auch nicht ganz geheuer. Vielleicht hatten Sie die beiden unterschätzt. Daher waren Sie erleichtert, als ich kam und Ihnen Hilfe anbot. Sie wussten die Geste zu schätzen und lehnten Sie gleichzeitig ab.«
Ihr Mund bewegte sich, während sie mich beobachtete und darauf wartete, dass ich fortfuhr. Aber ich ließ mir Zeit beim Betrachten ihres Munds, und meine Fantasie schweifte in dunkle, schwüle Gefilde ab. In letzter Zeit durchlebte ich gerade etwas wie eine sexuelle Durststrecke. Selbst Mahatma Gandhi hätte neben mir wie Hugh Hefner gewirkt.
» Wie schlage ich mich bisher?«, fragte ich.
» In Ihrer Selbstwahrnehmung?«
» Beginnen wir damit, klar.«
» Für Ihr Gefühl schlagen Sie sich hervorragend«, sagte sie. » Sie finden sich selbst charmant, einfühlsam und geradezu strotzend vor Selbstbewusstsein.«
» Vergessen Sie nicht, dass ich Sie gerettet habe.«
» Wie könnte ich das?«
Ich wies auf den Hocker. » Trinken Sie was mit mir.«
Sie zögerte, der Anflug von Humor verschwand aus ihren Augen. » Ich wollte Ihnen tatsächlich danken.«
» Dafür ist viel Zeit bei einem Drink. Ich bin sogar bereit, mich von Ihnen einladen zu lassen, wenn das Ihr Gewissen beruhigt.«
» Sie machen es einem wirklich nicht leicht. Ihnen zu danken.«
» Ich umgebe mich mit einer harten Schale, um meinen weichen, verletzlichen Kern zu schützen.«
» Außerdem sind Sie verheiratet«, sagte sie. Sie nickte in Richtung meiner linken Hand, die auf dem Tresen ruhte. » Auch wenn Sie heute Nacht Ihren Ehering nicht tragen.«
Sie hatte recht, man konnte noch immer den bleichen Umriss meines Eherings an meinem Finger erkennen. Vor ein paar Monaten hatte ich den Ring endlich abgenommen, aber so schnell waren die Spuren einer Ehe wohl nicht auszulöschen.
» Dann sollten Sie wohl besser das Weite suchen«, sagte ich.
Der Barmann stellte einen Stoli neben das Weinglas. Ich wandte mich von der Lady ab und meinem Drink zu. Es verstrichen einige Augenblicke, ohne dass sie sich von der Stelle rührte.
» Es war nett von Ihnen, dass Sie mir neulich nachts geholfen haben«, sagte sie schließlich.
» Keine Ursache.«
» Ich bin es nicht gewöhnt, dass Menschen mir helfen wollen.«
Ich schwieg. Stattdessen leerte ich den Stoli und spürte augenblicklich die Wirkung.
» Sie sind nicht verheiratet, richtig? Ich habe mich getäuscht.«
Ich setzte das Glas ab. » Ich bin nicht mehr verheiratet.«
» Haben Sie einen Stift?«
Hatte ich einen Stift? Nein, ich hatte keinen. Aber der Barmann hatte einen, und er brachte ihn mir zusammen mit einem weiteren Glas Stoli.
Sie reichte mir einen Zettel. Darauf stand das Wort » Tori« und darunter eine Telefonnummer.
» Falls Sie Lust haben, mich mal anzurufen«, sagte sie.
» Gut zu wissen«, sagte ich, aber da war Tori bereits auf dem Weg zur Tür.
12
Der Raum im Boyd Center, den man uns angewiesen hatte, wirkte wie ein großes Kinderspielzimmer. Es gab Tischchen für Brettspiele, eine Sitzgruppe rund um einen Fernseher und einen Schreibtisch mit Stühlen. Die Wände waren orangefarben gestrichen, und der Teppichboden war dick und ein bisschen schmuddelig. Nicht unbedingt der Rahmen für eine vertrauliche Unterredung zwischen Anwalt und Klient, aber die Budgets waren allenthalben knapp, und dieser Raum diente außerdem noch für Familienbesuche.
Tom Stoller war in keinem guten Zustand. Er benötigte dringend psychotherapeutische Behandlung seitens der staatlichen Gefängnisbehörden; doch die erhielt er nicht, weil derselbe Staat ihn anklagte, ihn lebenslänglich ins Gefängnis schicken und nicht anerkennen wollte, dass Tom zum Tatzeitpunkt unter einer geistigen Störung gelitten hatte – ja, generell unter einer solchen litt.
Ich saß am anderen Ende des Raums und beobachtete Tom und Shauna. Sie sprachen nicht über den Fall. Sie ergründeten nicht seine gequälte Psyche. Sie spielten Dame. Ich hatte Shauna mitgebracht, weil sie ein gutes Händchen für Menschen hatte; sie war wesentlich geschickter als ich im Knüpfen von Beziehungen und konnte sich sensibel den jeweiligen emotionalen Stimmungen anpassen. Tom saß Shauna gegenüber am Damebrett und wurde wie
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