Der falsche Mann
keine Sorgen. Was hingegen viel wichtiger ist: Es betont die starke fachliche Überzeugung von Dr. Baraniq. Denn warum sonst sollte ein gläubiger Muslim einem Soldaten einer Armee helfen wollen, die ein muslimisches Land besetzt hat?«
Shauna dachte darüber nach. » Dr. Baraniq muss demnach wirklich fest an das glauben, was er sagt. Willst du darauf hinaus?«
» Genau darauf will ich hinaus.«
» Und ich will darauf hinaus, dass die Jury sich von oben herab behandelt fühlen könnte. Dass sie es als Beleidigung auffassen könnte. Wenn wir diesen Aspekt zu stark herausstreichen …«
» Dann sorg dafür, dass das nicht passiert. Er ist dein Zeuge, Shauna. Fädle es clever ein. Verdammt, benutze diesen Dienstagstermin als Vorwand. Frag ihn, warum er am Dienstag nicht bei uns sein konnte, und dann kann er es dir erzählen. Oder finde einen anderen Weg, subtil die Sprache darauf zu bringen.«
Sie ließ es sich erneut durch den Kopf gehen und landete bei demselben Ergebnis. » Es gefällt mir nicht.«
» Uns bleibt keine andere Wahl.«
» Jason!« Marie stand vorne im Eingangsbereich.
» Ich bin dagegen«, sagte Shauna. » Ich möchte das nicht tun.«
Ich näherte mich ihr, sodass Marie mich nicht hören konnte. » Shauna, ich habe jetzt keine Zeit für eine Vorlesung über politische Korrektheit oder Vorurteile oder Weltverbesserung im Allgemeinen, okay? Es geht hier um das Leben meines Mandanten. Das ist ein verdammter Mordprozess. Also steh deinen Mann und pack es an. Wenn du es nicht schaffst, mach ich es selbst.«
» Meinen Mann stehen?«
Ich wollte keine Diskussionen. Ich hatte keine Zeit dafür. Aber entgegen dem, was ich als Letztes gesagt hatte, würde Shauna den Zeugen in jedem Fall übernehmen müssen. Und ich kannte sie gut genug, um voraussagen zu können, dass sie nur das tun würde, was sie wollte.
» Was gibt’s, Marie?«, fragte ich, während ich mich von Shauna entfernte.
» Du hast einen Anruf«, sagte sie. » Jemand namens Sasha.«
Der Name sagte mir nichts.
» Sie meinte, sie sei Lorenzo Fowlers Freundin«, führte Marie aus. » Und es ist dringend.«
53
Ich nahm den Anruf in meinem Büro entgegen. » Hier Jason Kolarich«, sagte ich.
» Mr. Kolarich.« Es war eine weibliche Stimme mit einem starken osteuropäischen Akzent. Russisch oder etwas Ähnliches. Miester Kohlariiech.
» Mein Name ist Sasha Maldonov. Wissen Sie, wer ich bin?«
Ich wusste nur, was Marie mir gesagt hatte. » Sie kannten Lorenzo Fowler.«
» Ja. Ich habe ihn geliebt. Als er … als er erschossen wurde, kam er aus meinem Apartment.«
Das hatte ich nicht gewusst. Die Polizei hatte mir nicht verraten wollen, weswegen sich Lorenzo am Abend seines Todes in West Arondale aufgehalten hatte.
» Fahren Sie fort«, sagte ich.
» Ich bin in Gefahr. Das weiß ich. Ich kann nicht zu Hause bleiben. Die glauben, dass Lorenzo mir was verraten hat. Dinge, die ich … die ich nicht wissen sollte.« Im Hintergrund waren Verkehrsgeräusche zu hören. Entweder telefonierte sie mit dem Handy oder von einer Telefonzelle aus, wenn es überhaupt noch Telefonzellen gab.
» Hat er Ihnen denn was verraten?«, fragte ich, und mein Puls beschleunigte sich.
Sie zögerte. » Können Sie … können Sie mich schützen?«
» Ich werde Sie beschützen«, versprach ich, was ein bisschen gewagt von mir war. » Sagen Sie mir, was Sie wissen.«
» Ich weiß viele Dinge. Lorenzo war klar, dass ich nichts verraten würde. Er hat mir vertraut. Aber jetzt …« Eine weitere lange Pause folgte. Autos hupten.
» Sie fürchten, man könnte Sie aus den gleichen Gründen ermorden wie Lorenzo«, folgerte ich. » Daher ist es das Beste für Sie, Sie sagen für mich aus. Sobald es öffentlich ausgesprochen ist, gibt es keinen Grund mehr, Sie zu töten.«
Offensichtlich war sie zu demselben Schluss gekommen. » Können wir uns treffen?«, fragte sie.
» Ja. Jederzeit«, sagte ich. » Sofort, wenn Sie wollen.«
Eine weitere Pause. Ich brauchte selbst eine kurze Bedenkzeit. Ich musste sicherstellen, dass ich der Frau trauen konnte. » Beweisen Sie mir, dass Sie wirklich die Person sind, die Sie zu sein behaupten«, sagte ich.
» Es Ihnen beweisen? Lorenzo hat Ihnen nichts von mir erzählt?«
» Nein.«
» Ah. Dann …«
» Warum rufen Sie mich an?«, fragte ich.
» Weil Lorenzo sich an Sie gewandt hat. Er wollte nicht mit seinen üblichen Anwälten sprechen. Er wollte jemanden, der keine Verbindungen hat zur … Familie.«
Das entsprach der
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